Brüder, Burger und Betrug
Im Kino: »The Founder« von John Lee Hancock
Die Fastfood-Kette mit dem großen »M« hat den Status des Restaurantbetriebs längst hinter sich gelassen. Die Firma zählt seit den 1980er Jahren zu den größten Landbesitzern der Welt, laut dem Journalisten John F. Love landeten bereits 1986 über sieben Prozent aller in US-Restaurants ausgegeben Dollars bei den Burger-Bratern, sie verbrauchten 7,5 Prozent der US-Kartoffelernte, sieben Prozent aller US-Angestellten arbeiteten dort, das Maskottchen ist bekannter als der Präsident, die »Restaurants« gibt es auf der ganzen Welt, sie sehen exakt gleich aus - mit regionalen Unterschieden, wie wir spätestens aus »Pulp Fiction« wissen: In Deutschland gibt es Bier, in Saudi-Arabien Gebetsräume.
Wäre jener Geistesblitz von einer Geschäftsidee in den Händen seiner (tatsächlichen) Gründer verblieben, so müsste man seine Burger wohl immer noch auf einem Parkplatz in San Bernardino kaufen. Dort haben die Brüder Mac und Dick McDonald 1940 ihre erste Fast-Food-Station eröffnet, eigentlich sollte sie die einzige ihrer Art bleiben. Doch ähnlich wie die Ölquellen des Irak wurde die Idee nicht zur Goldgrube für die rechtmäßigen Eigentümer, sondern zum Objekt der Begierde von Raubrittern, die den amerikanischen Traum als Freibrief zum Betrug interpretieren: Am Ende blieb dem Brüderpaar nicht mal mehr der eigene Name.
Wenn Regisseur John Lee Hancock nun die Verfilmung jener Firmengeschichte »The Founder« (der Gründer) nennt, so meint er damit folgerichtig nicht die McDonalds-Brüder, sondern Roy Kroc. Der Vertreter für Milchmixer trat 1954 auf den Plan. Bereits 1961 hatte der Betrüger gemeinsam mit Investoren die echten Gründer mit Durchtriebenheit und Boshaftigkeit ausgebootet. Hancocks Film hätte also eigentlich ein bitteres Drama, oder zumindest eine zynische Tragikomödie werden müssen. Stattdessen ist es ein unterhaltsames, aber viel zu glattes und viel zu buntes Biopic geworden, das nur durch die faszinierende Präsenz Michael Keatons als Kroc eine Daseinsberechtigung erhält. Selbst die »Financial Times« findet, dass der Film »wenig mehr tut, als Roy Krocs Stiefel zu polieren«.
Ein großes Problem hätte schon vor Drehbeginn klar sein müssen: Wie soll man einen Film über die berühmteste Fastfood-Kette der Welt machen, ohne deren Ruhm nochmals zu mehren? Es ist schlicht nicht möglich - selbst wenn man den Betrug, der dem Erfolg zugrunde liegt, mit gebührender Härte thematisiert hätte, was aber auch nicht geschieht. Und so ist »The Founder« ein abendfüllender Werbeclip, in dem permanent die »Familienwerte« und der »kulturelle Beitrag« des Unternehmens (»Amerikas neue Kirche«) gepriesen werden. An einer Stelle sagt Kroc sogar: »Das ist der beste Burger, den ich in meinem ganzen Leben gegessen habe!« Man hat nach dem Film, und das ist tatsächlich zum Kotzen, große Lust auf ein »Happy Meal«.
So wie sein Filmcharakter die Konkurrenten zermalmt, so klatscht Michael Keaton den Rest des Ensembles an die Wand, und das ist ein Hochgenuss für die Zuschauer, eine wirklich außerordentliche schauspielerische Leistung - auch wenn der eiskalte Kroc mutmaßlich und nach allem, was man über ihn und seine Rolle bei McDonalds weiß, viel zu gut wegkommt. Auch durch Keatons Sonderleistung wirkt der Film, etwa wenn der Hauptdarsteller mal nicht in der Szene ist, unentschlossen und pendelt unbefriedigend zwischen Drama und bemühter Satire.
Der Film ist keine Doku, es ist nicht seine erste Aufgabe, die zerstörerische Dynamik der Fastfood-Industrie in den Vordergrund zu stellen. Aber er blendet einfach alles aus: Man sieht weder Übergewichtigkeit, noch Ausbeutung der Angestellten, noch die Folgen für die Umwelt und die »Dritte Welt«, noch die verbrecherische »Bindung« schon kleiner Kinder an Zucker und Fett über die Verschmelzung von Hamburgern mit Walt Disneys Entertainment-Müll.
So wird etwa die extrem straffe Organisation der Arbeitsabläufe (die wichtigste Neuerungen jener »Restaurants«) zu einem Ballett der Effizienz verklärt: Mac und Dick proben die zeitsparende Burgerherstellung vor der Umsetzung auf einem Tennisplatz. Was im Film allerdings auf die geniale Idee der sympathischen Gründer von nebenan reduziert wird, ist heute ein ausgeklügeltes System, das den gehetzten Angestellten noch die kleinste Ruhepause verweigert.
Und so muss man trotz Keatons Geniestreich dem »San Diego Reader« Recht geben: »Ein Film wie ein McDonalds-Produkt: präzise vorbereitet, verführerisch verpackt, zu einfach zu konsumieren.«
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