»Fußball ist nicht das Wichtigste auf der Welt«

Viele BVB-Fans bewiesen am Dienstag und Mittwoch Gastfreundschaft

  • Sebastian Weiermann, Dortmund
  • Lesedauer: 3 Min.

Deutliche Worte fand BVB-Trainer Thomas Tuchel nach der 2:3 Niederlage gegen den AS Monaco. »Fußball ist nicht das Wichtigste auf der Welt«, sagte der Dortmunder Coach. Der europäische Fußballverband UEFA habe die Neuansetzung der Partie, nicht mal 24 Stunden nach dem Anschlag entschieden, als sei nur »eine Bierdose gegen den Bus geflogen«. Er und die Mannschaft seien zu keinem Zeitpunkt gefragt worden wie sie zur Neuansetzung stehen. Tuchels Boss, der BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke hatte vor der Partie betont, dass wegen des engen Terminplans keine andere Ansetzung möglich sei. An die BVB-Spieler hatte er vor der Begegnung appelliert, sie würden »der Gesellschaft zeigen«, dass man nicht vor dem Terror kapituliere.

Der gleichen Meinung wie Watzke waren auch viele Fans des BVB, die sich am späten Nachmittag vor dem Westfalenstadion einfanden. Etwa Michael, Dortmunder, Mitte 50 und »seit 40 Jahren im Stadion«, so erklärt der Mann unter dessen Jacke sich ein neongelbes BVB-Trikot aus den 1990er Jahren spannt. Natürlich sei so ein Anschlag wie gestern »auf gut Deutsch gesagt, Scheiße«, aber mit einem Verletzten sei es doch noch einmal gut gegangen. Jetzt müsse man zeigen, dass man sich vor »denen« nicht einschüchtern lässt. Wer den Anschlag begangen hat, da ist Michael zurückhaltend, wahrscheinlich schon Islamisten sagt er, aber er habe auch die Berichte gelesen, dass das Bekennerschreiben untypisch sei.

Die Bundesanwaltschaft hatte am Dienstagnachmittag erklärt, dass zwei mutmaßliche Islamisten, aus Wuppertal und Unna Tatverdächtig seien. Nur einer von beiden, wurde festgenommen. Der »Spiegel« berichtet unter Berufung auf Ermittlerkreise, dass der Iraker Abdul Baset al-O. in Deutschland nicht als Islamist aufgefallen sei. In seinem Heimatland hingegen schon. In einem abgehörten Telefonat hatte ein Unbekannter zu al-O. gesagt, »Der Sprengsatz ist fertig«. Bei dem zweiten Verdächtigen wurde ein Schirm aus dem Mannschaftshotel des BVB gefunden. Ob sich der Tatverdacht gegen beide erhärtet ist unklar. Bisher hat die Bundesanwaltschaft keinen Haftbefehl beantragt. Für Rätsel sorgen außerdem die drei Bekennerschreiben, die am Tatort gefunden worden. Sprachliche Fehler wirken so, als seien sie bewusst eingestreut worden. Der Verweis, Bundeskanzlerin Merkel kümmere sich nicht um ihre »Untertanen«, wirkt seltsam. Auch, dass Forderungen nach dem Ende von Tornado-Einsätzen in Syrien und der Schließung des US-Stützpunktes in Ramstein sind für Islamisten untypisch.

Auf die Frage ob BVB-Fan Michael von der Aktion #bedforawayfans, bei der BVB-Fans über Twitter und Facebook Anhängern aus Monaco Schlafplätze anboten, mitbekommen hat zückt er sein Handy. Zeigt ein Foto und erklärt sichtlich stolz, dass sei sein Sohn mit »drei Jungs aus Monaco«. Die habe sein Sohn gestern Abend aufgenommen. Bis morgens um 3 Uhr seien die unterwegs gewesen erzählt er. »Unser Bier sind die aber nicht gewöhnt.«, erzählt er lachend. Die seien vorhin noch »ganz blass« gewesen.

Viele BVB-Fans haben am Dienstag und Mittwoch Gastfreundschaft bewiesen. Vielleicht entsteht eine neue Fanfreundschaft zwischen dem wohlhabenden Fürstentum und der Arbeiterstadt. Die drängenden Fragen nach den Urhebern des Anschlags auf Borussia Dortmund bleiben aber offen.

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