Mieterhöhungen finanzieren Investorenrendite
Von Linksfraktionen beauftragtes Gutachten analysiert Geschäftsstrategie des Konzerns Deutsche Wohnen AG
Die Liste der Vorwürfe ist lang. »Mit der Deutsche Wohnen AG streitet man über alles«, sagt Reiner Wild, der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins. »Massive Auseinandersetzungen« gibt es derzeit vor allem wegen Mieterhöhungen, die die Deutsche Wohnen AG immer wieder oberhalb des Mietspiegels ansetzt. Vor Gerichten hat das zwar keinen Bestand, aber 80 Prozent der Mieterhöhungsverlangen dürften durchgehen, weil sich die Mieter nicht wehren, schätzt Wild.
Weil auch die Linksfraktionen im Bundestag und im Abgeordnetenhaus viele Beschwerden über das Wohnungsunternehmen erreichen, haben sie den Ökonomen Heinz-Josef Bontrup beauftragt, das Geschäftsgebaren der Deutsche Wohnen AG unter die Lupe zu nehmen. Das Ergebnis der Studie (siehe Kasten) wurde am Montag vorgestellt.
Demnach besitzt die Deutsche Wohnen AG in Berlin laut Bontrup eine »marktmächtige Stellung«, die es dem Unternehmen erlaubt, die Preise zu erhöhen. Um die Kapitalinteressen der Investoren zu befriedigen, hat die börsennotierte Immobilien-Aktiengesellschaft eine Umstellung der Bewertung seiner Immobilien vorgenommen. Statt nach dem deutschen Handelsrecht wird das Portfolio des Konzerns nach internationalem Recht bewertet. Mit einem »Einmaleffekt« wurde so eine stille Reserve gehoben. In seiner Bilanz wies der Konzern Ende 2015 einen Wert von rund 11,9 Milliarden Euro aus. Für die Aktionäre warf die Umstellung jahresdurchschnittlich zwischen 2012 und 2015 eine Eigenkapitalrentabilität vor Steuern von 18,7 Prozent ab. Für eine Wohnungsbaugesellschaft sei das eine »erstaunlich hohe Verzinsung« des eingesetzten Kapitals, heißt es im Gutachten. Bereinigt man allerdings die Gewinne und rechnet den »Einmaleffekt« heraus, sieht es ganz anders aus: Die Deutsche Wohnen AG ist zwar profitabel, aber die Gewinne fallen deutlich geringer aus. Dienen die Mieterhöhungen also dazu, die Renditeerwartungen zu bedienen?
»Finanzinvestoren suchen Unternehmen mit solchen stillen Reserven«, sagt Bontrup. Der Fall der Deutsche Wohnen sei ein »Lehrbuchfall«. Rein rechtlich ist die Umstellung der Werteerfassung auf internationale Standards indes legal. Bei Wohnungsunternehmen hat sie aus Sicht des Ökonomieprofessors dennoch nichts zu suchen: »Das kann man nicht mit Wohnungen machen, die wir brauchen wie unser tägliches Brot.« Bontrup empfiehlt darüber hinaus den Gewerkschaften, einen Verstoß gegen das Mitbestimmungsrecht zu prüfen, weil im Aufsichtsrat der Deutsche Wohnen AG derzeit keine Arbeitnehmervertreter sitzen.
Die Linksfraktionen im Bundestag und Abgeordnetenhaus wollen das Gutachten nun für die stadtpolitischen Auseinandersetzungen in Berlin und im Bund nutzen.
Die Deutsche Wohnen AG erklärte auf nd-Nachfrage, das Gutachten sei ihr nicht bekannt. »Diese Form der indirekten Kommunikation der Linksfraktionen empfinden wir als wenig zielführend.« Und: Man habe weiterhin großes Interesse, einen konstruktiven und sachlichen Dialog mit der Politik zu führen.
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