Fragwürdige Abschiebung

Im Fall des Afghanen Mohammad H. hätte es humanere Möglichkeiten gegeben

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Abschiebung des Afghanen Mohammad H. aus Brandenburg/Havel ist aus mehreren Gründen äußerst fragwürdig. Am 27. März wurde der 26-Jährige von Polizisten von seiner Arbeitsstelle weggeholt und zum Flughafen nach München gebracht, wo am Abend ein Sammeltransport mit 15 Männern nach Kabul startete. Am Dienstag landeten die Männer in der afghanischen Hauptstadt.

Zunächst einmal gilt Afghanistan insgesamt keineswegs als sicher, auch wenn das Auswärtige Amt im Zusammenhang mit Abschiebungen behauptet, es gebe dort einige durchaus sichere Regionen. Dazu kommt, dass der brandenburgische Landtag gerade erst beschlossen hatte, die Ausländerbehörden der Landkreise und kreisfreien Städte sollten ihre Ermessenspielräume ausnutzen, um Afghanen den weiteren Aufenthalt zu gestatten.

Fast sieben Jahre lebte Mohammad H. bereits in Deutschland. Sein Asylantrag wurde zwar 2014 abgelehnt, doch er besaß eine Duldung, deren Gültigkeit erst am 20. April 2017 abgelaufen wäre. Hätte Mohammad H. noch ein Jahr in Brandenburg/Havel ausharren können, so hätte er nach Paragraf 25b des Aufenthaltsgesetzes sogar einen Anspruch gehabt, in Deutschland zu bleiben. Nun sieht es ein wenig so aus, als habe man ihn loswerden wollen, bevor es dazu kommt.

Damit nicht genug. Das harte Mittel einer Abschiebung wäre nicht notwendig gewesen. Nach nd-Informationen soll er bereit gewesen sein, freiwillig in die Heimat zurückzukehren, wenn er in Deutschland keine Perspektive mehr hat. Er soll vorsorglich sogar schon erste Schritte unternommen haben, sich einen Reisepass zu besorgen. Bei einer freiwilligen Rückkehr wäre ihm das Flugticket bezahlt worden, und er hätte überdies eine Starthilfe von bis zu 2000 Euro erhalten. Außerdem hätte er zu einem späteren Zeitpunkt wieder in die Bundesrepublik einreisen dürfen. So aber ist ihm dies drei Jahre lang verwehrt, und er müsste dann zuvor die Kosten seiner Abschiebung begleichen.

Auch die Umstände der Abschiebung sind fragwürdig. Durch das Wegholen vom Arbeitsplatz konnte Mohammad H. weder in Ruhe seine Sachen packen, noch hatte er Zeit, sich von Freunden und Bekannten zu verabschieden. Sein Rechtsanwalt versuchte am 27. März noch vergeblich, die Abschiebung per Eilantrag beim Verwaltungsgericht Potsdam zu stoppen. In der Begründung des Antrags sprach der Anwalt von einer »Nacht- und Nebelaktion«, bei der es Mohammad H. nicht erlaubt worden sei, Gepäck mitzunehmen, und dieser habe auch kein Geld dabei.

Die Stadtverwaltung bemüht sich, jegliche Verantwortung für den Fall auf andere Stellen abzuwälzen. Organisiert worden sei die Sammelabschiebung durch die Bundespolizei. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge habe den Asylantrag von Mohammad H. abgelehnt, das Verwaltungsgericht Potsdam habe die Rechtmäßigkeit der Abschiebung geprüft und bestätigt, und das brandenburgische Innenministerium habe keinen Abschiebestopp verfügt. »Unsere Ausländerbehörde vollzieht als untere Landesbehörde hier die geltende Rechtslage«, heißt es auf Anfrage aus der Pressestelle von Oberbürgermeisterin Dietlind Tiemann (CDU).

Die Mitteilung, es habe 2016 aus Brandenburg keine echte Abschiebung nach Afghanistan gegeben und 2017 noch gar keine, hatte kürzlich für etwas Beruhigung gesorgt. Nach der Abschiebung von Mohammad H. herrscht bei afghanischen Familien jedoch wieder Angst. Denn im Moment erhalten viele die Ablehnung ihrer Asylanträge. In den Bescheiden steht standardmäßig der Satz, sie müssten die Bundesrepublik binnen eines Monats verlassen.

Die 19-jährige Manja Rostek - sie besucht die Freie Waldorfschule Cottbus - startete mit Klassenkameraden eine Onlinepetition, damit zehn afghanische Mitschüler bleiben dürfen. Rosteck bezieht sich dabei auf eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes, wonach in ganz Afghanistan ein hohes Risiko bestehe, Opfer einer Entführung oder eines Gewaltverbrechens zu werden. Bislang sind für die Onlinepetition 70 503 Unterschriften zusammengekommen.

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