Zwischen Zerfall und Hoffnung

Der HC Leipzig verliert eine weitere Nationalspielerin und hofft trotz hoher Schuldenlast auf die Bundesligalizenz

  • Ullrich Kroemer, Leipzig
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Bundesligisten HC Leipzig und Thüringer HC haben schon einige Kämpfe gegeneinander ausgefochten. Die Geschichte, wie der THC dem einstigen Ligaprimus HCL die Vormachtstellung entriss und seither sechs Mal in Serie Meister wurde, ist die große Rahmenerzählung der Handball-Bundesliga der Frauen (HBF) seit Beginn dieser Dekade.

Als beide Teams am vergangenen Sonntag in Leipzig wieder einmal zum mitteldeutschen Duell aufeinandertrafen, war das Ergebnis - 27:31 für die Gäste - jedoch nur sekundär. Entscheidender war, dass knapp 2700 Menschen in die Arena gekommen waren, so viel wie noch nie in dieser Saison. Ein Signal für den Erhalt des vom Aus bedrohten Frauenhandballs in der Stadt. Vor Anpfiff zogen die Anhänger der Blau-Gelben eine Blockfahne mit dem HCL-Logo die Ränge nach oben; flankiert von Plakaten, auf denen in großen Lettern stand: »Gestern. Heute. Morgen.« Doch ob auch in Zukunft Bundesligahandball der Frauen in Leipzig gespielt wird, steht weiter auf der Kippe.

Vor sechs Wochen hatte sich Manager Kay-Sven Hähner an die Öffentlichkeit gewandt und offenbart, dass den Klub Schulden in Höhe von 900 000 Euro drücken - davon ist eine halbe Million bereits bis zum Saisonende zurückzuzahlen. Hähner, der ehrgeizige, visionäre und in den vergangenen Jahren wohl überambitionierte HCL-Macher, gestand dabei erstmals Fehler ein. Die Teilnahme an internationalen Wettbewerben in dieser Saison etwa sei zwar »sportlich konsequent« gewesen, »rückblickend aus wirtschaftlicher Sicht aber eine Fehlentscheidung«, sagte der 46-Jährige. Sponsoren seien kurzfristig abgesprungen, Zuschauer weggeblieben; gleichzeitig waren Team und Trainer zu teuer.

»Der HCL schleppt schon seit 2012 ein Minus mit sich herum, aber die Schulden waren immer so, dass man es nicht als absolut bedrohlich ansehen musste. Völlig aus dem Ruder gelaufen ist das ganze Konstrukt in dieser Saison«, sagt Berndt Dugall, Vorstand der HBF, im Gespräch mit »nd«. Unzulänglichkeiten seitens des Ligaverbandes bei der Lizenzerteilung weist er von sich. »Die Versäumnisse liegen bei Präsidium oder Aufsichtsrat des HCL«, die ihren Funktionen nicht ausreichend nachgekommen seien, sagt er.

Trotz der drückenden Schuldenlast hat der HCL am Donnerstag die Lizenzunterlagen für die kommende Saison eingereicht. Hähner teilte mit, dass die Unterlagen »inhaltlich alle geforderten Kriterien der HBF« erfüllten. Er sehe durchaus eine wirtschaftliche Zukunft für den Klub. Eine Spendenaktion, bei der Fans sowie die Leipziger Männer-Erstligisten Rasenballsport (Fußball) und DHfK (Handball) sammeln, wird eine sechsstellige Summe zusammenkommen. Zudem hofft Hähner auf die Unterstützung von neuen Sponsoren, der Sparkasse, der Stadt Leipzig und vom Freistaat Sachsen, um eine Insolvenz zu vermeiden. Seit Mitte März liegt ein nicht öffentliches Sanierungskonzept vor. Ob die Geldgeber das als belastbar und weitreichend genug einstufen, ist noch unklar.

Ob es für eine Lizenzerteilung reicht, prüft bis Ostern erst mal die HBF. Bei Einwänden hätte der Klub bis Mitte Mai Zeit, um nachzubessern. »Wenn wirklich belastbar nachgewiesen wird, wie der Betrieb zu sanieren ist, wird das von uns respektiert«, sagt Ligavorstand Dugall. »Wir lassen uns aber nicht auf windige Sachen ein, bei denen wir nach einem halben Jahr als die Deppen dastehen.«

Ob tatsächlich öffentliche Gelder fließen, um die HCL GmbH zu sanieren, steht noch in den Sternen. Zwar betont Leipzigs Sportdezernent Heiko Rosenthal (LINKE): »Der HCL hat überregionale Strahlkraft und ist ein Pfeiler in der Leipziger Sportwelt. Der HCL war über Jahre hinweg das sportliche Aushängeschild der Stadt und ist auch aktuell noch die höchstklassige und erfolgreichste Frauen-Spitzenmannschaft im Leipziger Sport.« Gleichwohl wäre eine öffentliche Finanzspritze - 300 000 Euro stehen laut lokalen Medien im Raum - für die Kommune heikel und bedürfte der Zustimmung des Parlaments, sofern im Stadtrat überhaupt einen Antrag dazu gestellt wird. Frühestens am 12. April könnte darüber erstmals debattiert, erst Mitte Mai abgestimmt werden. »Belastbar für den HCL ist nur ein Beschluss des Stadtrates«, sagt Rosenthal.

Vom Freistaat wird es anders als von Hähner erhofft, keinen Zuschuss geben. Das zuständige sächsische Innenministerium teilte »nd« mit, dass »es keine Gespräche eines Vertreters der Bundesligamannschaft des HCL bzw. der Lizenzspieler GmbH hinsichtlich einer finanziellen Unterstützung im Zuge einer möglichen Insolvenz« gegeben habe. Dafür gebe es »weder in der Vergangenheit noch aktuell eine Grundlage im Rahmen der Sportförderung des Innenministeriums«. Auch der Landessport-Bund Sachsen unterstützt lediglich den Gesamtverein mit einer Summe, die 2016 im unteren vierstelligen Bereich lag, nicht aber die Profis.

Falls es in der kommenden Saison überhaupt noch mal zum Duell zwischen HCL und THC kommen sollte, wird die langjährige Leipziger Nationalspielerin Saskia Lang dann auf der anderen Seite stehen. Drei weitere tragende Säulen des Teams sind schon gegangen oder folgen ihr, weil Gehälter ausstanden und die Perspektive fraglich ist. Egal, wie die Lizenzdebatte ausgeht: Leipzigs Handballerinnen werden einen Neustart brauchen.

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