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Kommunen für weitere Aussetzung des Familiennachzugs

Innenausschuss des Bundestages befasste sich mit dem Einreisestopp für Angehörige von Geflüchteten mit subsidiärem Schutz

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.

Seit einem Jahr ist das Gesetz zur »Einführung beschleunigter Asylverfahren«, kurz Asylpaket II, in Kraft. Die darin vorgesehenen verschärften Regeln zum Familiennachzug machen es vielen Geflüchteten aus Syrien unmöglich, ihre Angehörigen nachzuholen. Das gilt für unbegleitete Minderjährige ebenso wie für verzweifelte Väter, die die gefährliche Flucht nach Deutschland ohne Frau und Kinder antraten, weil sie hofften, die Familie auf legalem Wege nachholen zu können.

Doch im Asylpaket ist festgeschrieben, dass der Nachzug für Familienangehörige von Flüchtlingen mit subsidiärem Schutz für zwei Jahre ausgesetzt wird. Dieses Moratorium läuft noch bis zum März 2018. Den Status als Subsidiärer erhält, wer die Kriterien des Grundgesetzes oder der Genfer Flüchtlingskonvention nicht erfüllt, aber trotzdem in seinem Heimatland um Leib und Leben fürchten muss, etwa weil dort ein Bürgerkrieg tobt. Im vergangenen Jahr erhielten fast 70 Prozent aller Geflüchteten aus Syrien nur diesen Schutzstatus zweiter Klasse.

Mittlerweile distanziert sich auch die SPD, die das Asylpaket mit der Union durchgedrückt hatte, zumindest vorsichtig von der Aussetzung des Nachzugs. Ob sich die Genossen allerdings den parlamentarischen Initiativen von Grünen und LINKEN anschließen, die eine Streichung der zweijährigen Wartefrist fordern, darf bezweifelt werden.

Am Montag beschäftigte sich der Innenausschuss des Bundestags in einer öffentlichen Anhörung mit dem Familiennachzug. Zu den geladenen Experten gehörte auch Hendrik Cremer vom Deutschen Institut für Menschenrechte. Sein Institut empfehle, so Cremer, die Aussetzung »umgehend wieder aufzuheben«, da sie der UN-Kinderrechtskonvention widerspreche.

Karl Jüsten vom Kommissariat der deutschen Bischöfe verwies auf die integrationshemmenden Nebeneffekte der Aussetzung: So seien »Betroffene vollständig von der Sorge um ihre Familienmitglieder in Anspruch genommen«. Zumal viele die Rechtslage nicht verstünden. Der Anwalt Tim W. Kliebe pflichtete dem Kirchenmann in dieser Frage bei: »Für den Betroffenen stellt sich diese Maßnahme als reine Willkür dar«, so Kliebe.

Ganz andere Töne schlug der Rechtswissenschaftler Kay Hailbronner an: Es gebe »keinen Rechtsanspruch auf Familiennachzug«, der sich aus dem Verfassungs- oder Völkerrecht herleiten ließe, so Hailbronner.

Uwe Lübking vom Deutschen Städte- und Gemeindebund plädierte dafür, »die jetzige Aussetzung beizubehalten«. Sie sei eine Möglichkeit, »die Kommunen bei ihrer Integrationsarbeit zu entlasten«. Da die Wohnsitzauflage nicht funktioniere, konzentrierten sich die Geflüchteten auf insgesamt 61 Städte und Gemeinden. Zwar gebe es in Deutschland 1,8 Millionen leer stehende Wohnungen, nur eben nicht da, wo man sie brauche. Denn wo Wohnraum frei sei, gebe es keine Arbeit, wo es Jobs gebe, seien Wohnungen rar. Zumal private Vermieter »sehr zurückhaltend« seien bei der Vermietung an Flüchtlinge.

Allerdings sei es möglich, so Lübking, in »humanitären Härtefällen« den Nachzug trotzdem zu ermöglichen. Ausschussmitglied Petra Pau (LINKE) widersprach und verwies auf eine aktuelle Anfrage ihrer Fraktion, wonach es bis heute keinen einzigen Fall gegeben habe, »in dem Betroffenen der Nachzug ermöglicht worden wäre«.

Tatsächlich musste auch Philipp Schauer vom Auswärtigen Amt einräumen, dass es 2016 »praktisch keine Fälle gegeben habe«, in denen nach Paragraf 22 Aufenthaltsrecht ein Nachzug erfolgt sei. Schauer machte deutlich, wo dringend nachgebessert werden müsste, wenn man die Aussetzung des Nachzugs tatsächlich zurücknehmen würde. Schon jetzt operierten viele diplomatische Vertretungen Deutschlands, etwa in Beirut oder Istanbul, trotz Kapazitätsausbaus an der Belastungsgrenze. Offenbar sieht sich das Auswärtige Amt nicht in der Lage, die zusätzlichen Anträge von Familienangehörigen, die dann eingereicht würden, schnell zu bearbeiten. So oder so müssten die Betroffenen jenseits des Mittelmeers ausharren.

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