Eskalation in Kokang

Erneut schwere Kämpfe im Nordosten Myanmars

  • Thomas Berger
  • Lesedauer: 3 Min.

Nach dem Ende der 50-jährigen Militärherrschaft träumt Myanmar (Burma) nun als nächstes von einem Friedensschluss mit den diversen Rebellengruppen der ethnischen Minderheiten. Ein Teil ist dem Abkommen schon beigetreten, mit anderen wird verhandelt - und ein drittes Guerillabündnis ist gerade im Nordosten des Landes erneut in eskalierte Kämpfe mit der Armee verstrickt. Bereits im Januar und Februar hatte es in der Kokang-Region im Grenzgebiet zum großen Nachbarn China immer wieder Zusammenstöße gegeben, die laut Rebellen von den Streitkräften zu verantworten seien. Nun versuchte die Myanmar National Democratic Alliance Army (MNDAA), mit einem Überraschungsangriff den Grenzort Laukkai, zugleich Regionalmetropole Kokangs, einzunehmen.

Der militärische Vorstoß scheiterte aber, da die Armee mit schweren Waffen sofort zum Gegenschlag ausholte. Und von den Zivilisten, die sich einmal mehr mitten in der Frontlinie wiederfanden, sahen viele in der Flucht über die Grenze die einzige Option, ihr Leben zu retten. »Einige kamen mit Koffern, andere nur mit dem, was sie auf dem Leibe trugen«, so ein Hotelinhaber auf chinesischer Seite. Während die Kämpfe mindestens 30 Todesopfer forderten, bezifferte ein ein Militärsprecher die Zahl der Geflüchteten auf 7000. Nach Angaben des Pekinger Außenministeriums sollen in der Vorwoche sogar über 20 000 Menschen nach China vertrieben worden sein.

Schon werden Befürchtungen laut, die Zustände vor zwei Jahren könnten sich wiederholen. Damals hatten sogar Zehntausende Einwohner der gewalterschütterten Grenzregion ihr Heil in der Flucht nach China gesucht, was selbst zu zwischenstaatlichen Spannungen führte. Da wundert es nicht, dass jetzt auch die Regierung in Peking beide Seiten zur Deeskalation aufforderte. So einfach ist das aber nicht zu erreichen, da es bislang keine offiziellen Kommunikationskanäle der Konfliktparteien, dafür aber reichlich gegenseitige Schuldzuweisungen gibt.

Die MNDAA ist Teil der Nord-Allianz, zu der auch noch die Arakan Army (AA), die Kachin Independence Army (KIA) und die Ta’ang National Liberation Army (TNLA) gehören. Brigadegeneral Tar Bone Kyaw von der TNLA, der Sprecher des Bündnisses, warnte vor einer weiteren Verschärfung der Kämpfe. Man habe nur auf den »nicht mehr tolerierbaren« militärischen Druck der Armee reagiert, sagte er dem Politikmagazin »The Irrawaddy«.

Die Regierung wäre sicher bereit, auch mit der Nordallianz zu verhandeln. Die KIA ist über ihren politischen Arm KIO in der Tat in den laufenden Dialogprozess eingebunden. Ein Waffenstillstand mit dieser Gruppe, der zuvor 17 Jahre Bestand hatte, war 2011 zusammengebrochen. Während die KIO/KIA zu den traditionellen Rebellengruppen gehört, die schon Jahrzehnte (in einigen Fällen seit der Unabhängigkeit der vormaligen britischen Kolonie 1948) aktiv sind, handelt es sich bei den drei anderen Mitgliedern der Nord-Allianz um Neugründungen der jüngeren Vergangenheit nach dem formellen Ende der Militärdiktatur, bereits zu demokratischen Zeiten.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.