Mehr Kontrolle für Landeseigene

Die Wohnraumversorgung Berlin wird nach mehr als einem Jahr arbeitsfähig

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

»Ich freue mich sehr, nun eine Einrichtung zu haben, die das Land bei der Steuerung der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften unterstützt«, sagt Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher. Sie stellte am Donnerstag die voraussichtlich ab März voll arbeitsfähige Wohnraumversorgung Berlin (WVB) vor. Die Anstalt öffentlichen Rechts ist ein Ergebnis des Gesetzeskompromisses zum Mietenvolksentscheid. Formal wurde sie bereits am 1. Januar 2016 gegründet.

»Es ist kein Tag, um zu feiern, dafür hat der Prozess einfach zu lange gedauert«, sagt Rouzbeh Taheri, Sprecher des Mietenvolksentscheids. »Aber wir sind erst mal zufrieden, dass nach einem Jahr Stillstand etwas vorangeht.« Richtig die Arbeit aufnehmen kann die WVB, wenn am 28. Februar der 21 Mitglieder zählende Fachbeirat konstituiert sein wird. »Es gibt drei Bänke mit je sieben Mitgliedern«, sagt Lompscher. Einerseits Vertreter der Wohnungswirtschaft, daneben Mieter, zudem sind Stadtgesellschaft und Wissenschaft als dritte Gruppe vertreten.

Der Arbeitsplan ist straff. Bereits bis zum Ende des ersten Quartals sollen drei Punkte abgearbeitet sein. »Entsprechend der Koalitionsvereinbarung werden die Mieterratswahlen evaluiert und Vorschläge zum Umgang mit dabei aufgetretenen Problemen sowie zur Überarbeitung der Wahlordnung erarbeitet«, wird die erste delikate im vorgestellten Arbeitsplan beschrieben. Die im Sommer 2016 erstmals durchgeführten Wahlen machten vor allem durch die Nichtzulassung von über 100 Mietern, die sich aufstellen lassen wollten, von sich reden.

»Das hatte eine hohe politische Brisanz im Wahlkampf«, sagt Philipp Mühlberg. Er ist neben Jan Kuhnert, der sich im Mietenvolksentscheid engagiert hatte, kürzlich zum zweiten Vorstand der WVB ernannt worden. Seit 1996 arbeitet der in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannte Mühlberg bei der Stadtentwicklungsverwaltung. Seiner ausführlichen Schilderung seines Lebenswegs ist zu entnehmen, dass er die wohnungspolitischen Fehlentscheidungen zumindest hautnah miterlebt hatte.

Bereits bei der Vorbereitung der Prüfung der Mieterratswahlen sollen Unstimmigkeiten zwischen den beiden Vorständen geherrscht haben. Es gilt allerdings das Konsensprinzip, beide müssen sich zusammenraufen.

»Ich persönlich fände es besser, wenn jemand das Amt ausüben würde, der unabhängig von der Verwaltung ist«, sagt Katrin Schmidberger, Mietenexpertin der Grünenfraktion.

Die zweite Aufgabe, die bald gestemmt sein soll, ist die Vernetzung und Beratung der neuen Mieterräte, die über entsandte Vertreter in den Aufsichtsrat die Geschäftspolitik mitbestimmen sollen. »Die Mieterräte organisieren sich schon selber, aber wir werden die Vernetzung unterstützen«, sagt Jan Kuhnert.

Für Zündstoff könnte die im Koalitionsvertrag beschlossene Übernahme des Controllings der Landeseigenen durch die Wohnraumversorgung sorgen. Das Wohnraumversorgungsgesetz sieht dieses Recht aktuell nicht vor. Bisher sind der Lobbyverband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) und die Stadtentwicklungsverwaltung dafür zuständig. Die Wohnungsunternehmen könnten WVB den Blick in ihre Bücher verweigern. Jedoch: »Der Beratungsauftrag der WVB wird politisch sehr ernst genommen«, sagt Lompscher. »Es ist nicht egal, was die sagt«, bekräftigt die Senatorin.

Das sieht Rouzbeh Taheri vom Mietenvolksentscheid anders. »Es gibt ein Missverhältnis zwischen den gesetzlichen Möglichkeiten und dem politischen Willen«, sagt er. »Die WVB in ihrer jetzigen gesetzlichen Beschreibung kann nicht die Aufträge erfüllen, die der Koalitionsvertrag vorsieht«, so Taheri. Doch das Gesetz könnte noch dieses Jahr geändert werden. »Am 22. Februar beschäftigt sich die Koalition in einer Klausur mit dem Thema, da werden wir auch darüber diskutieren«, kündigt Katrin Schmidberger an.

Philipp Mühlberg erschließt sich die Diskussion nicht so ganz. »Es gibt doch offensichtlich die Bereitschaft der Wohnungsbaugesellschaften, sich auf den Kurs des Senats einzulassen«, sagt er. Bis zu 14-prozentige Mieterhöhungen bei Landeseigenen zum Jahreswechsel machten in der Öffentlichkeit einen anderen Eindruck, schließlich soll die Erhöhung laut Koalitionsvertrag auf jährlich zwei Prozent begrenzt werden. »Die haben mir politisch nicht gefallen, sind aber nicht rechtswidrig«, sagt Katrin Lompscher. Die neue Kooperationsvereinbarung soll Anfang März verabschiedet werden können.

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