Wo Matthias Claudius den jungen Goethe publizierte

Hamburg-Wandsbek gilt nicht gerade als Ausflugsziel - bei genauem Hinsehen sind jedoch Spuren einer bedeutenden Vergangenheit zu finden

  • Britta Warda, Hamburg
  • Lesedauer: 2 Min.

Der neue Führer der mittlerweile zwölfbändigen Reihe aus dem Junius Verlag beschäftigt sich mit dem bevölkerungsreichsten Bezirk Hamburgs. Mehr als 400 000 Menschen sind in Wandsbek zu Hause, dennoch ist der Nordosten der Stadt vielen Hamburgern unbekannt. Kaum ein Ausflügler verirrt sich in das wenig einladende historische Zentrum mit dem Busbahnhof und der lärmenden Wandsbeker Marktstraße. Bei genauerem Hinsehen lassen sich jedoch zwischen den Nachkriegsbauten Spuren der bedeutenden Vergangenheit Wandsbeks entdecken.

Auf dem ersten Rundgang lernt der Spaziergänger die geistige Zentralfigur Wandsbeks kennen. Gleich zwei Skulpturen in Bahnhofsnähe würdigen Matthias Claudius (1740-1815), der nicht nur das bekannte Lied »Der Mond ist aufgegangen« ersann, sondern auch von 1771 bis 1775 für den über Wandsbeks Grenzen hinaus bekannten »Wandsbecker Bothen« verantwortlich zeichnete. Für die Zeitung schrieben seinerzeit literarische Größen wie Klopstock, Herder und der junge Goethe. Gegenüber dem Bahnhof befand sich bis 1861 ein imposantes Wasserschloss, von dem heute nur noch Überbleibsel im Bezirksamt zu finden sind. 1597 vom Statthalter des dänischen Königs errichtet, wurde es - zum allgemeinen Entsetzen der Bevölkerung - dann 1861 im Zuge von Immobilienspekulationen einfach abgerissen. Die stattdessen errichteten Wohnhäuser für eine zahlungskräftige Kundschaft führten zur Gründung des Stadtteils Marienthal.

Die dreistündige Radtour von Friedrichsberg nach Rahlstedt führt entlang der Wandse, einem 20 Kilometer langen Nebenfluss der Alster, und gewährt Einblick in das jüdische Erbe des Bezirks sowie in die Geschichte seiner Industrialisierung. Ziele sind der Jüdische Friedhof, das Staatsarchiv, Hefewerk und Zigarettenfabrik, der Eichtalpark und die KZ-Gedenkstätte.

Auf dem Rundgang durch Steilshoop lässt sich etwas über Architekturpsychologie erfahren: Neben den gigantischen Hochhäusern finden sich im Stadtteil Streuobstwiesen und mit dem Appelhofweiher ein Gewässer, auf dem Kinder im Sommer segeln lernen können. Weitere Rundgänge erkunden Ohlsdorf (inklusive Friedhof) sowie die Walddörfer mit Volksdorf, Wohldorf und dem Duvenstedter Brook. Alle Touren sind mit vielen spannenden Informationen angereichert. Tipps zu Gastronomie, Einkauf, Sport und Kultur runden den Stadtführer ab.

Katja Nicklaus: Wandsbekbuch. Mit Volksdorf, Steilshoop, Wandsezug, Duvenstedter Brook und Ohlsdorf, Hamburg, Junius 2016, 176 S., 16,80 Euro

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