Immer mehr zivile Kriegsopfer in Afghanistan

UN legen Jahresbericht 2016 vor / Mehrere Bundesländer verweigern geforderte Abschiebungen

  • René Heilig
  • Lesedauer: 2 Min.

Seit 2009 erfasst die UNAMA, eine Mission der Vereinten Nationen, systematisch die zivilen Opfer des Afghanistan-Krieges. Man stellt den mörderischen Alltag der Menschen in Diagrammen dar. Schon der pure Draufblick muss erschrecken. So stieg die Anzahl der 2016 getöteten Kinder auf 923, die der verwundeten auf 2589. Das ist ein Viertel mehr als der bisherige Höchststand.

2009 beklagte UNAMA 2412 tote und 3557 verwundete Zivilisten. Im vergangenen Jahr registrierte man 3498 Tote und 7920 Verwundete, die unbeteiligt vom Krieg heimgesucht wurden. »Die Tötung und Vergewaltigung von Tausenden afghanischen Zivilisten ist zutiefst erschütternd und wäre weitgehend vermeidbar«, sagte der UN-Missionschef Tadamichi Yamamoto. Im Bericht seiner Behörde, die keinen Anspruch auf eine vollständige Erfassung des Elends erhebt, werden für die Morde vor allem Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen wie der Taliban verantwortlich gemacht. Sie seien für zwei Drittel der getöteten und verwundeten Zivilisten verantwortlich.

Nach wie vor sind jedoch auch die weiter im Land befindlichen ausländischen Truppen am Töten beteiligt. Durch Luftangriffe, die von der US-Armee und den afghanischen Verbündeten geflogen werden, starben 2016 250 Menschen, 340 wurden verwundet. Auch diese Zahlen markieren einen Höchststand. Die Bundeswehr ist seit 2002 in Afghanistan und beteiligt sich derzeit mit rund 2000 Soldaten an der Ausbildungsmission »Resolute Support«.

Neben Selbstmordattentaten bereiten vor allem Minen und Blindgänger Probleme. Laut anderer UN-Berichte haben Räumkolonnen seit 1989 rund 715 000 Anti-Personen-Minen unschädlich gemacht. Hinzu kamen um die 30 000 Anti-Panzer-Minen sowie annähernd zwei Millionen Blindgänger. Laut westlichen Plänen sollte Afghanistan 2013 minenfrei sein. Nach Verstreichen der Frist nahm man das Jahr 2023 ins Visier. Doch die sich weiter verstärkenden Kämpfe machen auch das zur Illusion. Zugleich fehlen die Fachleute und Mittel. Andere Kriegsschauplätze wie Syrien und Irak traten in den Vordergrund.

Glaubt man dem Bundesinnenministerium, so gibt es in Afghanistan ausreichend sichere Regionen, um Flüchtlinge, die in Deutschland Schutz suchen, abzuschieben. Mit der Regierung in Kabul wurde ein Rückführungsabkommen geschlossen. Zugleich forderte die Regierung die Bundesländer bereits im Oktober auf, abgelehnte Asylbewerber konsequent abzuschieben. Im Dezember und Januar gab es bereits sogenannte Sammelabschiebungen.

Schleswig-Holstein und Berlin zweifeln wie Bremen und Niedersachsen an der These von sicheren Gebieten in Afghanistan. Sie schieben derzeit keine Afghanen ab. So halten es auch Thüringen und Brandenburg. Aus Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen werden derzeit nur Straftäter, sogenannte Gefährder und alleinreisende junge Männer nach Afghanistan »zurückgeschoben«. Seite 6

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