Die neue WOBA kommt erst im Herbst
Rot-grün-rote Mehrheit im Dresdner Stadtrat vertagt Beschluss über kommunale Wohnungsgesellschaft
Der Markt kann es nicht richten. In Dresden würden angesichts rasant wachsender Einwohnerzahlen Tausende neue Wohnungen gebraucht; gebaut wurden in den Jahren von 2010 bis 2015 aber nur 2600, die meisten davon mit Mieten, die sich nur Besserverdienende leisten können. Der Anteil von Wohnungen, für die weniger als 4,50 Euro je Quadratmeter Miete fällig werden, lag vor sechs Jahren bei 21 Prozent; inzwischen sind es nur noch elf.
Abhilfe soll eine städtische Wohnungsgesellschaft bringen - wie es sie bis 2006 mit der WOBA auch gab. Dann aber entschied eine Ratsmehrheit aus CDU, FDP und Teilen der PDS, sie zu verkaufen und mit dem Erlös die städtischen Schulden zu tilgen. Für den Wohnungsmarkt hatte der Verkauf jedoch nachteilige Folgen. Deshalb gehörte die Gründung einer neuen WOBA zu den zentralen Vorhaben des seit 2014 amtierenden Ratsbündnisses von LINKE, Grünen, SPD und Piraten. Im August 2015 fasste dieses den grundsätzlichen Beschluss, seither quält man sich durch die Mühen der Ebene. So steht die Frage, wie das Vorhaben finanziert werden soll. Jetzt befindet es sich auf der Zielgeraden: Im März könnte der Rat die Gründung formal beschließen, im Herbst die Gesellschaft - nach Prüfungen durch das Finanzamt und die Landesdirektion - ihre Arbeit aufnehmen.
Die LINKE hätte gern noch mehr Tempo gemacht; sie ließ die Vorlage zur WOBA-Gründung bereits am Donnerstag im Stadtrat auf die Tagesordnung setzen. In der vorbereitenden Sitzung dreier Ausschüsse traten Grüne und SPD jedoch auf die Bremse. Zu »Schweinsgalopp« gebe es angesichts etlicher offener Fragen »keinen sachlichen Grund«, sagt Michael Schmelich, Finanzpolitiker der Grünen. Er hat einen Katalog von elf Fragen formuliert, die er vor dem finalen Beschluss noch einmal gründlich geprüft sehen möchte.
Zu den zentralen gehört die Frage der Rechtsform. Die Verwaltung empfiehlt, eine GmbH & Co. KG zu gründen. Sie stützt sich auf das Gutachten einer Anwaltskanzlei, das darin die »größtmögliche Einflussnahme und Steuerung« durch die Stadt gewährleistet sieht - und zudem die »steuerlich vorteilhafteste Lösung«. So müsste die WOBA für Grundstücke, die ihr die Stadt überträgt, nicht die Grunderwerbsteuer von 3,5 Prozent zahlen. Bei einem Grundstückswert von 50 Millionen Euro wären das 1,75 Millionen Euro - »nicht ganz unerheblich«, sagt LINKE-Stadtchef Jens Matthis. Schmelich sieht indes auch Argumente für die Form einer GmbH. Zu den offenen Fragen gehört aus seiner Sicht zudem, ab wann eine eigene Verwaltung für die Gesellschaft wirtschaftlich sinnvoll ist und wie die Zeit bis dahin überbrückt wird. Bei Gründung verfügt die neue WOBA noch nicht über Wohnungen; geplant ist der Bau der ersten 2500 bis zum Jahr 2025.
Bei der LINKEN ist man der Ansicht, all diese Fragen hätten sich bereits klären lassen; schließlich liege das Gutachten seit Wochen vor. Grundsätzliche Differenzen erwartet man aber nicht mehr. »Ich gehe davon aus, dass die neue WOBA noch in diesem Jahr steht«, sagt Matthis. Auch Schmelich beteuert, es handle sich um »Sachfragen, die keinen politischen Streit beinhalten«; um das grundsätzliche Vorhaben gebe es in dem Ratsbündnis »überhaupt keine Meinungsverschiedenheiten«. Ob es dabei bleibt, zeigt sich Anfang März.
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