VW handelte kriminell
Milliardeneinigung mit US-Justiz im Abgasskandal
Dass es so dicke kommen könnte, hatte dann doch keiner gedacht: VW muss im Abgasskandal wohl tiefer als erwartet in die Tasche greifen, um Rechtsstreitigkeiten mit der US-Justiz beizulegen. Man habe Bußgeld- und Strafzahlungen in Höhe von 4,3 Milliarden Dollar ausgehandelt, gab der Konzern am Dienstagabend bekannt. Der Vergleich ist aber noch nicht endgültig besiegelt. Und es gibt schon wieder neuen Ärger.
Der Kompromiss mit dem US-Justizministerium wäre ein Meilenstein bei der Bewältigung der Dieselgate-Affäre, die den Wolfsburger Autobauer seit September 2015 im Krisenmodus hält. Seit über einem Jahr ermitteln die Bundespolizei FBI und Fahnder anderer Justizbehörden wegen des Verdachts krimineller Vergehen im Zusammenhang mit der Manipulation der Abgaswerte Hunderttausender Dieselwagen in den USA.
Mit dem Deal könnte sich VW, wenn der Aufsichtsrat zustimmt, zumindest in diesem Verfahren freikaufen - allerdings zu einem hohen Preis. Da der Konzern sich mit Kunden, Autoverkäufern und Behörden bei US-Zivilklagen bereits auf Vergleiche geeinigt hat, die über 17 Milliarden Dollar kosten könnten, werden die Rückstellungen wohl nicht reichen. Bislang hatte VW 19,2 Milliarden Dollar für Rechtskosten im Abgasskandal beiseitegelegt. Nun dürfte die Rechnung auf mehr als 21 Milliarden steigen. »Die Summe tut weh, wäre aber verkraftbar«, sagt Experte Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen.
Dennoch würde der Konzern die volle Härte des US-Rechts erfahren. Denn neben den hohen Bußgeldern soll Volkswagen auch die Kontrollsysteme verstärken und ein Schuldgeständnis abgeben. Damit würde VW kriminelle Handlungen zugeben, während man bisher nur Fehler eingeräumt hat. Von General Motors und Toyota hatte die US-Justiz dies bei bei Vergleichen nicht verlangt. Die Fälle sind aber auch nur schwer vergleichbar: Hier ging es nicht um Betrug, sondern um technische Defekte, die zu tödlichen Sicherheitsrisiken führten.
Trotz der überraschend hoch ausfallenden Strafe könnte in Wolfsburg die Erleichterung über die Einigung überwiegen. Durch den Vergleich, der strafrechtliche und auch noch offene zivilrechtliche Auseinandersetzungen mit dem Justizministerium aus der Welt schaffen würde, könnte sich VW endlich wieder stärker auf das Tagesgeschäft konzentrieren. »Es ist eine gute Nachricht«, kommentierte Experte Arndt Ellinghorst vom Analysehaus Evercore ISI. Der Konzern könne wieder nach vorne schauen. Es sei zudem eine riesige Erleichterung, dass der Konflikt nicht in die Amtszeit der neuen US-Regierung verschleppt werde. Es gab nämlich Befürchtungen, dass die Administration des gewählten Präsidenten Donald Trump den Fall neu aufrollen könnte.
Wirklich zur Ruhe wird VW vorerst aber nicht kommen: Über ein Jahr, nachdem die Dieselaffäre aufflog, ist die gerade begonnene US-Automesse in Detroit immer noch von ihr überschattet. In die Präsentationen der VW-Modelle für den US-Markt platzte die Nachricht einer Strafanzeige der Bundesanwaltschaft gegen einen Mitarbeiter, der in Miami vom FBI festgenommen wurde.
Auch für die Konzernspitze ist der Fall brisant. Denn in der Klageschrift belasten Zeugenaussagen von VW-Insidern das Management schwer. Noch kurz bevor die US-Behörden die Abgasmanipulationen öffentlich machten, habe die Führungsebene Vertuschung angeordnet, heißt es. Sollten sich die Anschuldigungen erhärten, könnte es noch einmal sehr unbequem werden. dpa/nd
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