»Ein Leuchtturm für Hamburg«

Dirk Schubert über die stadtentwicklungspolitische Bedeutung der Elbphilharmonie

  • Lesedauer: 3 Min.

Welche Gedanken schießen Ihnen beim Stichwort Elbphilharmonie spontan durch den Kopf?
Ein Leuchtturm für Hamburg, nach einer schweren Geburt. Endlich ist das Megaprojekt fertig. Der »Wow-Effekt« zu unterschiedlichen Tages- und Nachtzeiten ist beeindruckend.

Vom historischen Kaispeicher A blieben beim Umbau zur Elbphilharmonie nur Teile der Gründung und die Fassade aus Backstein erhalten. Wie sinnvoll wäre ein kompletter Neubau an gleicher Stelle gewesen?
Der Kaispeicher A steht unter Denkmalschutz und ist ein wichtiges Bauwerk aus der Periode des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg. Er ist eine Ikone an herausragender Stelle im Hafen und in der HafenCity. Die vertikale Nutzungsmischung - Parken, Wohnen, Hotel, Konzerthalle, Restauration et cetera - in Bestand und Neubau war eine außerordentlich komplexe Bauaufgabe mit vielen Akteuren und unterschiedlichen Interessen.

Dirk Schubert

Prof. Dr. Dirk Schubert forscht an der HafenCity Universität Hamburg zu Themen der Stadt- und Stadtplanungsgeschichte, zu Fragen des Wohnens und der Stadtteilentwicklung und Transformationsprozessen in Seehafenstädten. Volker Stahl sprach mit dem Stadtentwicklungsexperten über die Architektur der Elbphilharmonie und deren Bedeutung für Hamburg.

Die historische Backsteinfassade des Gebäudes ist ein stilprägendes Element - das passt doch perfekt zur »roten Stadt« Hamburg, oder?
Mit dem »roten Hamburg« wird auf die Phase der 1920er-Jahre abgehoben, als der Backstein unter dem Oberbaudirektor Fritz Schumacher ein favorisiertes Baumaterial war. Natürlich war und ist der Begriff auch (partei-)politisch konnotiert. Beim Wiederaufbau des Kaispeichers A unter Werner Kallmorgen, er war übrigens ein Verehrer von Schumacher, handelt es sich um ein reines Funktionsgebäude ohne architektonischen Zierrat. Angrenzend an die im Zweiten Weltkrieg stark zerstörte Speicherstadt bot sich natürlich eine Bezugnahme auf die Backsteinarchitektur der Speicherstadt an. Damals war es das modernste Speichergebäude der Welt. Ironie der Geschichte: Ein Jahrzehnt später begann die Containerisierung des Güterumschlags und die vorgesehenen Funktionsabläufe für den Güterumschlag waren überholt.

Wie gefällt Ihnen die Architektur der Elbphilharmonie?
Die öffentlich zugängliche Plaza mit dem Blick auf Hafen und Stadt und die Synthese eines historischen Gebäudes mit »aufgesetzter« moderner Architektur bilden ein Alleinstellungsmerkmal für Hafen und Stadt.

Unter dem Strich hat das Prestigeprojekt einen hohen dreistelligen Millionenbetrag verschlugen - ist es das wert? Falls nicht: Wie hätte die Stadt Hamburg, die 789 Millionen dafür locker gemacht hat, das Geld besser verwenden können?
Das ist eine müßige Spekulation. Entscheidungen unter Zeitdruck - Wahlen! -, ungeklärte Zuständigkeiten, nachträglich veränderte Funktionen et cetera haben die Kosten in die Höhe getrieben. Im Bericht des Untersuchungsausschusses sind diese Versäumnisse detailliert nachzulesen. Nach Baubeginn war eine Einstellung des Projekts kaum mehr möglich. Presse und Medien berichteten geradezu euphorisch von den Verzögerungen und Kostensteigerungen: »Only bad news are good news«. Bereits die Baustelle war zu einer Touristenattraktion geworden.

In dem Ensemble in exponierter Hafenlage wird nicht nur konzertiert, sondern auch gewohnt? Gute Idee?
Unbedingt! Kleinräumliche Nutzungsmischungen der verschiedenen Funktionen können einen Stadtteil wie die HafenCity beleben.

Welche Bedeutung hat die Elbphilharmonie für die Stadtentwicklung?
Hamburg bekommt einen neuen »Leuchtturm« von Stararchitekten, der für Branding und Stadtmarketing Hamburgs, des Hafens und der HafenCity instrumentalisiert werden kann.

Abschließend bitte ein Wort zum neuen Stadtteil HafenCity ...
Die Elbphilharmonie ist ein kulturelles Zentrum in der HafenCity. Speicherstadtmuseum, Maritimes Museum, Kreativ- und Kulturquartier Oberhafen und die HafenCity Universität sind weitere kulturelle Einrichtungen. Wichtig für einen belebten Stadtteil - Stichwort: Urbanität - wird neben der Funktionsmischung Wohnen, Arbeiten und Kultur auch die soziale Mischung sein, also ein Stadtteil für alle.

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