Peking fürchtet Transfer-Exzesse
Chinas Regierung ist der Kaufrausch seiner Spitzenfußballklubs nicht mehr geheuer
Der geradezu irrwitzige Kaufrausch der chinesischen Fußball-Klubs ist der Regierung offenbar nicht mehr geheuer. China will dem wilden Transfertreiben in seiner Super League angeblich ein Ende machen. Obergrenzen für Gehälter und Ablösesummen statt ein Transferrekord nach dem anderen: Von »angemessenen Beschränkungen« und einer »Regulierung«, sprach nun ein Vertreter der Regierungsstelle für Sport. Die Klubs hätten »Geld verbrannt«, hieß es weiter.
Für Aufsehen gesorgt hatten vor allem der Wechsel des Brasilianers Oscar, der für angeblich mehr als 70 Millionen Euro vom FC Chelsea zu Shanghai IPG ging, sowie der Transfer von Carlos Tevez. Der Argentinier soll durch seinen Wechsel von den Boca Juniors zu Shanghai Shenhua mit 38 Millionen Euro Jahresgehalt zum bestbezahlten Profi weltweit aufgestiegen sein.
Einhalt gebieten ist nun das Stichwort, nachdem die Super League erneut auf dem bestem Wege ist, selbst die Transferausgaben der englischen Premier League zu pulverisieren. Den Staat treibt wohl die Sorge um, hier könnten bald Vereine wie Seifenblasen platzen. Man müsse das Ziel verfolgen, Klubs zu gründen, die 100 Jahre bestünden, sagte der Sprecher.
Insolventen Vereinen könnte ein Ausschluss aus der Super League drohen. Eine strengere Finanzüberwachung soll helfen, die Ausgaben zu regulieren. Die Zahl der Spielerimporte pro Mannschaft soll außerdem von fünf auf vier reduziert, mehr Wert auf Entwicklung denn auf kurzfristige Erfolge gelegt werden.
Weil das Reich der Mitte fußballerisch ein Zwerg ist, hatte Präsident Xi Jinping im April vergangenen Jahres die Vision geäußert, eine »Fußball-Supermacht« aufzubauen. Eine Weltmeisterschaft im eigenen Land und der WM-Titel für China sind zwei seiner großen Ziele. Aber die aktuell zu beobachtenden Auswüchse scheinen jetzt selbst in Peking Alarmstimmung auszulösen. Ein »gravierendes Phänomen« nannte sie der Sprecher und erwähnte teils »irrationale Investitionen«.
Allein im vergangenen Jahr war der Transferrekord in China fünfmal gebrochen worden, aktuell ist Oscar der teuerste Spieler. Weitere Beispiele für den Kaufrausch sind die Wechsel der Brasilianer Hulk (von St. Petersburg zu Shanghai IPG für 55,8 Millionen Euro) und Alex Teixeira (von Schachtjor Donezk zu Jiangsu Suning für 50 Millionen Euro). Von gesundem Wachstum kann da keine Rede sein.
Das empfindet auch Bayern Münchens Präsident Uli Hoeneß so. »Das ist nur noch krank«, sagte er in einem Interview: »Ich kann nur hoffen, dass das eine Episode ist, wie wir sie in Amerika auch mal hatten, als Cosmos und diese Vereine meinten, sie müssten das, was andere Vereine über 50 Jahre aufgebaut haben in fünf Jahren mit ihrem Geld einreißen.«
Hoeneß sieht die Gefahr, dass die Fans sich irgendwann vom Fußball abwenden. Und er ist nicht der Einzige. »Diese Entwicklung, die sich da abzeichnet, übersteigt alles, was ich mir in meinen schlimmsten Träumen vorgestellt habe«, sagte der frühere DFL-Geschäftsführer Andreas Rettig, jetzt beim Zweitligisten FC St. Pauli, jüngst der »Bild am Sonntag«: »Alles, was nicht von innen heraus wächst, hat keine Zukunft.« Womöglich ist diese Erkenntnis nun auch im Fernen Osten angekommen. dpa/nd
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