Mitte ist für Radler riskant
Verkehrssicherheitsbericht 2016 meldet mehr Unfälle auf den Straßen
Bis 2020 soll es 30 Prozent weniger Schwerverletzte und Tote geben. So das erklärte Ziel des Senats. Doch jedes Jahr gibt es mehr Unfälle, sagt der Verkehrssicherheitsbericht.
Von Nicolas Šustr
Für Zweiradfahrer ist der Altbezirk Mitte ein gefährliches Pflaster. Das Risiko, dort bei einem Unfall zu verunglücken, ist 4,44 mal höher als im stadtweiten Durchschnitt. In Kreuzberg ist die Gefahr doppelt so hoch, es folgen die Altbezirke Tiergarten und Friedrichshain mit einem anderthalb mal so großen Risiko. Fußgänger und Fahrer von Motorrollern verunglücken im Bezirk rund um den Alexanderplatz mehr als zweieinhalb mal öfter als im Durchschnitt. Das geht aus dem jüngst veröffentlichten Verkehrssicherheitsbericht 2016 hervor, den die Stadtentwicklungsverwaltung federführend erstellt hat.
Die Zahlen beziehen sich auf das Jahr 2015. Es wurden insgesamt 137 713 Verkehrsunfälle gezählt, dabei wurden 15 717 Menschen leicht und 2073 schwer verletzt, 48 kamen zu Tode. Drei Viertel der Getöteten waren Fußgänger, Radler und Zweiradfahrer. Auch ältere Menschen sind bei Unfällen überproportional lebensgefährdet.
Bis 2010 sank die Zahl der Unfälle recht kontinuierlich, insgesamt gab es in jenem Jahr 14 809 Opfer, davon 1694 Schwerverletzte. Im Gegensatz zum Bundestrend steigen die Zahlen in der Hauptstadt seitdem jedoch. Von dem politischen Ziel des 2014 verabschiedeten Verkehrssicherheitsprogramms »Berlin Sicher Mobil«, bis 2020 die Zahl der Schwerverletzten und Getöteten im Vergleich zu 2011 um 30 Prozent zu senken, ist der Senat weit entfernt. Die wachsenden Stadt mit mehr Einwohnern und Autos reicht als alleinige Erklärung nicht aus.
»Dafür ist sicher auch das aggressive Klima auf den Straßen verantwortlich«, sagt Jörg Becker, Leiter des Bereichs Verkehr und Technik beim Automobilclub ADAC. Er hofft auf einen Wandel durch bessere Radwege. Um »aggressive schwarze Schafe« gezielter ausfindig zu machen, plädiert er für mehr Kontrollfahrten der Polizei in Zivilfahrzeugen. Auch mehr stationäre Rotlicht- und Tempoblitzer in der Stadt könnten helfen. »Allerdings müsste man den Autofahrern besser erklären, warum diese Anlagen aufgestellt werden. Viele halten das ja für Abzocke«.
Stefan Lieb vom Fachverband Fuss sagt: »Wir brauchen an Hauptstraßen Grünphasen, die so lang sind, dass man die Straße in einem Zug überqueren kann.« Tatsächlich geschehen Abbiegeunfälle häufig an Kreuzungen mit Ampeln. Deshalb fordert Lieb, dass Abbieger und Fußgänger nicht gleichzeitig »grün« haben dürfen. Dies rät auch der Verkehrssicherheitsbericht. Lieb ist überzeugt: »Da ist großer Widerstand zu erwarten, schließlich sinkt die Leistungsfähigkeit für den Autoverkehr.« Auch eine geringere Geschwindigkeit sei nötig. »30 ist das Tempo der Stadt«, sagt Lieb.
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