Wenn der Stuhl kühlt - und die Lampe Lärm dämpft

Rheinland-Pfalz: Im Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz sucht man Wege, wie die Bedingungen in Büros zu verbessern sind

  • Jasper Rothfels, Kaiserslautern
  • Lesedauer: 4 Min.

Wem Sabine Hoffmann einen Bürostuhl anbietet, der verspürt unter Umständen bald ein frisches Gefühl am Gesäß. Das liegt an einer Kühlfunktion am Stuhl, bei Knopfdruck pusten kleine Ventilatoren in Sitz und Rückenlehne Luft durch Stoff und Kleidung auf die Haut. Das werde vor allem von Männern geschätzt, die im Sommer, wenn sie verschwitzt seien, auf diese Weise »trockengelegt« würden, sagt die Professorin.

Die Wissenschaftlerin der TU Kaiserslautern arbeitet mit Kollegen vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) daran, wie man die Büroumgebung so verbessern kann, dass das Wohlbefinden der Menschen wächst. In einem kürzlich am DFKI eröffneten Labor, dem »Living Lab smart office space«, entwickeln sie Technikkonzepte »für das Büro von morgen« - im Selbstversuch und unter nahezu realistischen Bedingungen. Das sei in dieser Form bundesweit einmalig, sagt Hoffmann.

Aus Sicht der 44-Jährigen sollten Chefs durchaus darauf achten, dass es den Mitarbeitern am Arbeitsplatz nicht zu kalt, zu heiß oder zu laut ist. »Wenn es einem nicht behaglich ist, arbeitet man nicht gern und ist weniger produktiv«, sagt die Professorin für Gebäudesysteme und Gebäudetechnik. Das Problem: »Es ist ganz schwierig, ein Raumklima hinzubekommen, in dem alle zufrieden sind.« Denn das Temperaturempfinden ist unterschiedlich. Deshalb suchen die Experten nach individuellen Lösungen, die zudem energiesparend sein sollen. Ein Beispiel ist der kühlende Bürostuhl. Ein Hersteller hatte die Sitzgelegenheit, die auch über eine Wärmefunktion verfügt, entwickelt. Hoffmanns Team machte eine Feldstudie dazu, die bei der Optimierung des Produkts half. »Die Ventilatoren waren am Anfang zu laut, der Sitzkomfort war nicht gut genug«, erinnert sie sich. Diese Kinderkrankheiten seien nun beseitigt. Inzwischen ist der Stuhl auf dem Markt, der Basispreis (Heizung und Lüftung nur im Sitz) liegt laut Firma bei 884 Euro, die erweiterte Variante kommt auf 987 Euro.

In einer weiteren Studie wird untersucht, wie eine Arbeitsplatzleuchte mit integrierter Soundfunktion im Großraumbüro ankommt. Das mannshohe Gerät kann über dem Schreibtisch ein monotones Lüftungsgeräusch produzieren, das wie ein »Rausch-Schleier« störende Stimmen von Kollegen im Großraumbüro überdecken soll. Die Dämpfung soll lokal erfolgen - und nicht zentral über ein Lautsprechersystem, das störe die Menschen, sagt Hoffmann mit Verweis auf Versuche. »Die Leute wollen ihre Umgebungsbedingungen kontrollieren können.«

Die Informatiker vom DFKI unterstützen Hoffmann und Kollegen, indem sie mit bestimmten Methoden untersuchen, wie Hitze und Lautstärke die Aufmerksamkeit von Testpersonen beeinflussen und ob Maßnahmen wie das »Soundmasking« wirken. Sie beobachten zum Beispiel die Augenbewegung eines Probanden beim Lesen. Dieses Eyetracking zeige, ob die Menschen größere Probleme mit dem Textverständnis hätten oder ob es besser geworden sei, sagt der Leiter des DFKI-Kompetenzzentrums Virtuelles Büro der Zukunft, Heiko Maus. Die Leuchte, die ein Hersteller entwickelt hat, wird derzeit in der Praxis getestet. Die Resonanz ist unterschiedlich. Schlüsse könne man erst am Ende der Studie ziehen, sagt Hoffmann. Sie hat noch andere Ideen, wie »Soundmasking« in Möbel integriert werden kann.

Bereits zu haben ist eine Innenraum-Leuchte, die ein Licht mit den physikalischen Eigenschaften von Tageslicht ausstrahlt. Es spreche Zellen im Auge an, die die Produktion eines Hormons mit anregender Wirkung förderten, sagt Hoffmann. Die Wissenschaftler wollen nun klären, ob die Wirkung messbar ist und ob sie sich steuern lässt. Schließlich sollen die Leuchten mit der Außenhülle des Gebäudes gekoppelt werden, das mit speziellen Glasscheiben ausgerüstet wird. Der Bund fördert das Projekt mit 2,3 Millionen Euro.

Sabine Hoffmann und ihre Kollegen forschen nicht allein in diesem Bereich. Zu den Mitbewerbern gehören zum Beispiel das Fraunhofer Institut in Stuttgart und das Karlsruher Institut für Technologie. Und diese Forschungen betreffen viele Menschen.

»Derzeit arbeiten mehr als 22 Millionen Menschen in Deutschland zumindest zeitweise an einem Büroarbeitsplatz«, sagt die Sprecherin des Industrieverbands Büro und Arbeitswelt, Barbara Schwaibold. Das sei etwa die Hälfte der Erwerbstätigen. Zugleich gebe es einen Trend zu größeren Büros. Nach einem Umzug klagten Beschäftigte oft über eine laute Umgebung und über zu hohe oder zu niedrige Temperaturen. »Hier können individuelle Steuerungen Abhilfe leisten.« Und vielleicht Energiekosten senken. dpa/nd

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