Die politische Dimension
Berichterstattung zum Mord in Freiburg
Der Umgang der »Tagesschau« mit dem Studentinnen-Mord von Freiburg bleibt umstritten. Der Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag, Ansgar Heveling (CDU), kritisierte die Entscheidung, am Samstag in der 20-Uhr-Hauptausgabe nicht über die Festnahme eines tatverdächtigen Flüchtlings aus Afghanistan zu berichten. Der medienpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Martin Dörmann, indes sprach von einem Grenzfall.
Unterdessen berichteten die ARD-»Tagesthemen« am Montagabend mit der Begründung, der Fall habe nun eine politische Dimension bekommen, wie »Tagesthemen«-Moderator Ingo Zamperoni in der Anmoderation eines Beitrags aus Freiburg sagte. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte, es sei klar zu benennen, wer tatverdächtig sei, ohne auf eine ganze Menschengruppe zu schließen.
Der CDU-Innenpolitiker Heveling sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Dienstagsausgaben), der Mord habe bereits vor der Festnahme des Tatverdächtigen für bundesweite Aufmerksamkeit gesorgt. Er halte die Entscheidung der »Tagesschau« deshalb für falsch, weil sie den Eindruck erwecke, man wolle nicht berichten, weil der Festgenommene ein unbegleiteter minderjähriger Asylbewerber ist. »Ein solcher Eindruck ist fatal«, sagte er.
Der SPD-Medienpolitiker Dörmann nannte die Kritik an der »Tagesschau« verständlich. »Es wäre aber genauso ein schiefes Bild entstanden, wenn über diesen Mord berichtet worden wäre, aber über andere Mordfälle nicht«, sagte er den Funke-Zeitungen. Die Polizei hatte am Samstag über die Festnahme des 17-jährigen Afghanen informiert, der als unbegleiteter Flüchtling nach Deutschland gekommen war. Er steht unter Verdacht, Mitte Oktober in Freiburg eine 19 Jahre alte Studentin nach einer Party überfallen, vergewaltigt und getötet zu haben.
Ingo Zamperoni sagte in der Ausgabe von Montagabend, üblicherweise seien Taten wie dieser Mord, so tragisch sie sind, kein Thema für die »Tagesthemen«. »So haben wir in der Redaktion zunächst auch in diesem Fall entschieden. Weder als der Mord Mitte Oktober begangen wurde, haben wir berichtet, noch als am Samstag ein mutmaßlicher Täter gefasst wurde«, sagte Zamperoni: »Das wird uns seitdem von manchen Zuschauern vorgeworfen.« Inzwischen würden von einigen Seiten sowohl das Opfer wie auch der mutmaßliche Täter instrumentalisiert, so Zamperoni.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte am Montagabend in einem »Tagesthemen«-Interview: »Wenn es sich herausstellen sollte, dass es ein afghanischer Flüchtling war, dann ist das absolut zu verurteilen, genauso wie bei jedem anderen Mörder, aber auch ganz deutlich zu benennen.« Damit könne aber nicht die Ablehnung einer ganzen Gruppe verbunden sein, »so wie wir auch sonst nicht von einem auf eine ganze Gruppe schließen können«. Der Fall bleibe »ein tragisches Ereignis, das aufgeklärt werden muss, und über das man ganz offen sprechen muss«. Ähnlich hatte sich zuvor schon Regierungssprecher Steffen Seibert geäußert. epd/nd
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