Auch in Mitte wird es eine Ulrichs-Straße geben
Klage vor dem Verwaltungsgericht zurückgezogen, die Kammer stellte das Verfahren ein
Die etwa 500 Meter lange Straße führt durch Mitte und Tempelhof-Schöneberg vom Lützowplatz zum U-Bahnhof Nollendorfplatz und ist vom Namensgeber zweigeteilt. In Tempelhof-Schöneberg ist der neue Name Ulrichs seit Dezember 2013 bereits Realität. Doch in Mitte, wo ein gleichlautender Beschluss der BVV gefasst wurde, regte sich Widerstand. Eine Anwohnerin hatte geklagt. Diese Klage, die gestern vor dem Verwaltungsgericht verhandelt wurde, hatte aufschiebende Wirkung. Jetzt kann auch Mitte nachziehen und den neuen Namen einführen.
Der Streit um den Namenswechsel läuft schon über ein Vierteljahrhundert, als sich Bürger in Schöneberg intensiv mit der Biografie des preußischen Generals Karl von Einem beschäftigten. Einem war von 1903 bis 1909 preußischer Kriegsminister. Gutachten wurden in Auftrag gegeben, die zu dem Ergebnis kamen, der General sei ein Wegbereiter der Nazidiktatur gewesen und habe die Machtergreifung Hitlers nachdrücklich begrüßt. Nach seinem Tod 1934 würdigten ihn die Nazis in Berlin mit der Benennung der Straße. Einen Namen machte sich der General als erbitterter Feind von Homosexuellen in der Armee. Öffentlich rief er zu ihrer Vernichtung auf. Mit der Gründung der »Harzburger Front« habe sich Einem zu einem Steigbügelhalter der Hitler-Diktatur gemacht, erklärte das Gericht. Der General war es auch, der 1907 den Sozialisten Karl Liebknecht ins Gefängnis brachte. Das Reichsgericht verurteilte ihn auf Antrag Einems wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu eineinhalb Jahren Festungshaft. Liebknecht hatte in der Schrift »Militarismus und Antimilitarismus« den demokratiefeindlichen Ungeist der preußischen Generalität gegeißelt und Einem beim Namen genannt.
Das Verwaltungsgericht hatte in der Verhandlung am Mittwoch nicht darüber zu befinden, ob die Entscheidung des Bezirksamtes dem Willen der Bürger entsprach oder nicht. Paragraf 5 des Landesstraßengesetzes räumt dem Bezirk weitgehende Rechte zur Straßenumbenennung ein. Eingreifen darf das Gericht nur, wenn elementare Interessen der Anwohner verletzt werden. Das sei in diesem Fall nicht geschehen, betonte die Kammer. Die Klägerin hatte argumentiert, dass es Empfehlungen gebe, mehr Frauennamen bei Straßenumbenennungen einzusetzen. Das sei mit der Wahl Karl-Heinrich Ulrichs nicht geschehen. Außerdem habe Ulrichs keinen direkten Bezug zu Berlin. Das Bezirksamt Mitte, wie auch das von Tempelhof-Schöneberg waren den Anregungen einer Initiative gefolgt und hatten dem Schwulenfeind Einem einen Vorkämpfer für die rechtliche Gleichstellung von Homosexuellen entgegen gestellt. Karl-Heinrich Ulrichs lebte von 1825 bis 1895 und forderte 1867 auf dem Deutschen Juristentag die Abschaffung homosexuellenfeindlicher Gesetze.
Es gab in Mitte auch ein Anhörungsverfahren, die Anwohner wurden angeschrieben und konnten ihre Meinung darlegen. Am Ende, erklärte Bezirksstadträtin Sabine Weißler von den Bündnisgrünen dem Gericht, gab es eine große Übereinstimmung. Es sei nicht möglich, es allen Bürgern in dieser Frage recht zu machen.
Das Gericht räumte der Klägerin wenig Chancen auf Erfolg ein. Der Vorschlag, mehr Frauen für Straßennamen einzusetzen, sei nicht rechtsverbindlich, sondern trage empfehlenden Charakter. Nach den klaren Worten des Vorsitzenden Richters zog die Klägerin ihr Ansinnen freundlich- verständnisvoll zurück und die Kammer stellte das Verfahren ein.
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