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Missachtet und nicht respektiert

Geflüchtete protestieren in Wedding gegen die Unterbringung in einer Turnhalle

  • Johanna Treblin
  • Lesedauer: 3 Min.

Anfangs ist es ein eher zaghafter Protest: Bewohner der Flüchtlingsnotunterkunft in der Osloer Straße kommen am Donnerstagvormittag langsam aus der Sporthalle heraus und treten durch das vergitterte Eingangstor auf den Bürgersteig. Dann passiert erst einmal nichts. Dass es sich um eine Spontandemonstration handelt, ist vor allem durch die Polizisten erkennbar, die am Straßenrand stehen. Erst nach etwa einer Stunde tauchen erste Schilder auf, einzelne Geflüchtete verteilen Zettel, um auch zufällig vorbeilaufenden Passanten zu erklären, worum es bei ihrem Protest geht: »Schließt das Lager« fordern die rund 40 Flüchtlinge, darunter mehrere Familien. Ihnen fehle Privatsphäre, sie fühlen sich nicht respektiert von den Mitarbeitern der Bereiberfirma, missachtet von den Politikern, und die Art der Unterbringung bereite ihnen gesundheitliche Probleme.

»Erst sollte das Heim nach drei Monaten geschlossen werden, dann nach sechs«, sagt der Syrer Iehab Fattouh, der seit neuneinhalb Monaten in Berlin lebt. Zunächst war er in der Wiesenstraße untergebracht, dann in der Turnhalle in der Osloer Straße. Beide Notunterkünfte werden vom BTB Bildungszentrum betrieben. »Aber jetzt wohnen manche Leute schon seit 13 Monaten hier.«

Im vergangenen August habe die Geschäftsführung der BTB gewechselt, erzählen mehrere Bewohner, seitdem habe sich die Situation im Heim verschlechtert. Flüchtlinge erzählen von schlechtem Essen, immer wieder sei Brot oder Obst verschimmelt, das Fleisch sei oft noch roh. Bewohner Kasem Mohamed erzählt, es sei verboten, außerhalb der dafür vorgesehenen Bereiche zu essen, damit der Schlafbereich sauber bleibe, aber einen dreckigeren Boden habe er noch in keinem Wohnhaus gesehen.

Die Wachleute am Eingang der Turnhalle lassen außer den Bewohnern und Polizisten auf Nachfrage niemanden in das Gebäude. Der Bitte, mit dem Heimleiter zu sprechen, wird zunächst nicht entsprochen. Er ist erst seit ein paar Tagen auf diese Position gewechselt, nachdem dem bisherigen Leiter - wie »nd« erfuhr - in der vergangenen Woche gekündigt worden war.

Sowohl schriftliche als auch telefonische Anfragen an die BTB, zur Kritik der Bewohner Stellung zu nehmen, blieben bis Redaktionsschluss unbeantwortet. Ihre Kritik hatten die Bewohner bereits in der vergangenen Woche in die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Mitte getragen (»nd« berichtete).

Der neue Bezirksbürgermeister von Mitte, Stephan von Dassel (Grüne), besuchte daraufhin am Sonntag das Heim. »Die Wahrnehmung der Flüchtlinge ist eine ganz andere als die der Betreiber«, sagte er dem »nd«. Selbst bei »eigentlich objektiven Fakten« hätten sich die Aussagen von Mitarbeitern, der Geschäftsführung der BTB und Bewohnern stark unterschieden. Grundsätzlich gelte: »Die Unterbringung in einer Turnhalle ist schwierig, selbst, wenn sie gut geführt ist. Eine vernünftige Lösung kann es nur geben, wenn die Unterkunft geschlossen wird.« Er habe den amtierenden Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) gebeten, die Containerdörfer für Flüchtlinge, für die es noch keine Betreiber gebe, in bezirkliche Verantwortung zu übertragen.

Auf von Dassels Hinweis hin hat die Senatsverwaltung nach eigenen Angaben am Dienstag eine spontane Qualitätsbegehung der Unterkunft veranlasst. Dabei seien Hygienemängel im Sanitärbereich festgestellt worden, sagte eine Sprecherin. Catering und Betreuungssituation seien nicht beanstandet worden. Auch sei kein Personalmangel festgestellt worden, der in der BVV beanstandet worden war. Teilnehmern der BVV zufolge hieß es dort, in den Dienstplänen seien statt notwendigen bezahlten Mitarbeitern auch Praktikanten, Ehrenamtliche und sogenannte Ein-Euro-Jobber anderer Träger eingetragen.

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