AWO-Vorstand nach Skandal ausgewechselt
»Perfides System« im Müritz-Kreisverband
Der Müritz-Kreisverband der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Mecklenburg-Vorpommern hat nach dem im Sommer bekannt gewordenen Bereicherungsfall seinen Vorstand komplett ausgewechselt. »Wir werden als erstes die Satzung überarbeiten, damit solche Sachen künftig ausgeschlossen werden«, sagte die neue Vorsitzende Dagmar Kaselitz am Sonntag der dpa. Die 57-Jährige war SPD-Landtagsabgeordnete und soll zur Integrationsbeauftragten der Schweriner Landesregierung berufen werden.
Der Ex-Geschäftsführer des Kreisverbandes Peter Olijnyk und der frühere Kreisvorsitzende und einstige SPD-Bundestagsabgeordnete (1998-2005) Götz-Peter Lohmann hatten sich am Vorstand vorbei gegenseitig Verträge unterschrieben, die ihnen unverhältnismäßig hohe Zahlungen sicherten. Das ergab eine Prüfung des Landesverbandes.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Untreue-Verdachts gegen beide Männer. Zudem läuft am Landgericht Neubrandenburg ein Verfahren, bei dem der Ex-Geschäftsführer gegen seine Kündigung klagt und weiteres Geld will, aber die AWO auch von ihm mehrere hunderttausend Euro Schadenersatz fordert.
»Auch wenn man gute Arbeit leistet, darf man sich deshalb nicht persönliche Vorteile verschaffen«, erklärte Kaselitz. Das verurteile sie und habe das auch im Landtagswahlkampf erklärt. Jetzt sei es aber an der Zeit, dass die Arbeit im AWO-Kreisverband wieder ihren Weg gehen könne. Zunächst werde sich der neue Kreisvorstand mit dem alten ehrenamtlichen Kreisvorstand noch einmal treffen. »Der alte Vorstand hat von sich aus erklärt, dass er nicht entlastet werden will«. Man werde sich der Aufarbeitung des Falles stellen.
Die aus Penzlin (Kreis Mecklenburgische Seenplatte) stammende Kaselitz war am Freitagabend auf einer Sitzung ohne Gegenkandidaten zur neuen Vorsitzenden gewählt worden. Dazu kamen vier weitere Vorstandsmitglieder.
Der langjährige Kreisgeschäftsführer bekam ein Jahresgehalt von 150 000 Euro plus Tantiemen bis zu 50 000 Euro, die bei einem Sozialverband gar nicht zulässig seien, sowie Pensionsansprüche. Er war nach langem Streit im Juni gekündigt worden. Danach kamen die nach Ansicht des Landesverbandes illegalen Verträge ans Licht. Man sprach von einem »perfiden System« in Waren.
Alle AWO-Kreisverbände wurden daraufhin aufgefordert, ihre Verträge prüfen zu lassen, was auch geschah. Die Auswertung ergab laut AWO-Landesgeschäftsführer Bernd Tünker, dass es sich in Waren um einen Einzelfall handelt. In den anderen 14 Kreisverbänden sei es nicht zu solchen Praktiken gekommen.
Lohmann, der auch Vize-Landesvorsitzender der AWO war, hatte über fast zehn Jahre rund 700 000 Euro vom Kreisverband erhalten, ohne »signifikante Tätigkeiten nachzuweisen«, wie es ein Anwalt formulierte. In der Zeit war der heute 74-jährige Lohmann schon im Ruhestand. Er legte im Sommer alle Ämter nieder. Die AWO hat in der Region Waren rund 700 Mitarbeiter in Kindertagesstätten, Pflegeheimen und anderen Wohlfahrtsstätten. dpa/nd
In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.