Unsere Kinder sollen bis 71 arbeiten
Sogenannte Wirtschaftsweise fordern Anhebung des Rentenalters / Offizielle Erwerbslosigkeit sinkt
Geht es nach dem Willen der sogenannten Wirtschaftsweisen, dann müssen die jetzigen ABC-Schützen bis 71 arbeiten. Das offiziell »Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung« genannte Ökonomengremium schlägt nämlich in seinem am Mittwoch präsentierten Jahresgutachten vor, ab dem Jahr 2030 das Renteneintrittsalter an die steigende Lebenserwartung zu koppeln.
Ferner wollen die fünf Forscher die in die Kritik geratene Riester-Rente und die betriebliche Altersvorsorge stärken. »Mit einem stärkeren Gewicht auf die betriebliche und private, Riester-geförderte Altersvorsorge wird das System insgesamt krisenfester und federt gleichzeitig verschiedene Risiken ab«, heißt es dazu im Bericht.
Der in Würzburg lehrende »Wirtschaftsweise« Peter Bofinger weicht jedoch von der Mehrheitsmeinung im Gremium ab. Dabei verweist er auf die »unzureichende Sparfähigkeit« insbesondere von Haushalten mit niedrigen Einkommen. Diese sei problematisch, wenn man berücksichtigt, dass es durch die Absenkung des Rentenniveaus immer schwieriger wird, einen Rentenanspruch zu erwerben, der über der Grundsicherung liegt. So sorgten nur fünf Prozent des einkommensschwächsten Fünftels mittels einer Riester- oder Rürup-Rente fürs Alter vor.
Daher will Bofinger entgegen der Mehrheitsmeinung im Sachverständigenrat der Bundesregierung keine »enttäuschende Reformbilanz« attestieren. Mehrheitlich wirft der Rat nämlich Schwarz-Rot vor, die derzeit »ökonomisch erfolgreiche Phase unzureichend genutzt zu haben«. Die Wirtschaftsforscher fordern neben einer Rentenreform auch eine weitere Flexibilisierung des Dienstleistungssektors. Den Mindestlohn bezeichneten sie als eine »Hürde für die Aufnahmefähigkeit des Niedriglohnsektors«.
Jedoch wird die Expertise des Gremiums immer stärker angezweifelt. »Sachverstand zeigt wieder einmal nur der Kommentar von Peter Bofinger. Es ist höchste Zeit, dieses Gremium aufzuräumen«, sagte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell. »Nicht einmal für die längst widerlegte Behauptung, der Mindestlohn behindere die Schaffung von Arbeitsplätzen, sind sich die Wirtschaftsweisen zu schade.« So entwickelte sich der Arbeitsmarkt auch im Oktober gut. Laut der Bundesagentur für Arbeit sank die Zahl der Arbeitslosen auf 2,54 Millionen beziehungsweise 5,8 Prozent. Dies sind 109 000 Arbeitslose weniger als im Vorjahreszeitraum.
Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wird am Freitag vermutlich Positives vermelden können. Seit Mittwoch tagt nämlich der Arbeitskreis Steuerschätzung, der drei Tage lang die Einnahmeprognose für die Staatskassen errechnet. Das »Handelsblatt« geht von Mehreinnahmen von ungefähr 3,5 Milliarden Euro gegenüber der Mai-Schätzung aus. Seite 8
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