Ein Gedicht vor Gericht

Böhmermann-Zivilprozess in Hamburg fortgesetzt

  • Lesedauer: 2 Min.

Hamburg. In dem am Mittwoch vor dem Hamburger Landgericht fortgesetzten zivilrechtlichen Auseinandersetzung um die Unterlassungsklage des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan gegen den ZDF-Moderator Jan Böhmermann wegen dessen Schmähgedichts haben sich die Rechtsanwälte beider Seiten siegesgewiss gezeigt. »Ich bin mir sicher, dass wir das Verfahren gewinnen - wenn nicht in dieser, dann in der nächsten Instanz«, sagte Böhmermanns Anwalt, Christian Schertz nach der Verhandlung. Erdogans Vertreter Michael-Hubertus von Sprenger verwies auf die Entscheidung des Gerichts im vorgelagerten Eilverfahren, in dem die Wiederholung etlicher Passagen verbot. »Es gibt im Grunde keine neuen rechtlichen Gesichtspunkte.« Das Gericht will seine Entscheidung in dem Fall nach Angaben der Vorsitzenden Richterin Simone Käfer am 10. Februar 2017 verkünden.

Erdogan will per Unterlassungsklage erreichen, dass Böhmermann das gesamte Gedicht nicht erneut vortragen darf. Böhmermann wehrt sich dagegen. Im einstweiligen Eilverfahren hatte das Gericht Erdogan im Mai teils Recht gegeben und Böhmermann die Wiederholung bestimmter Textpassagen untersagt. Die Entscheidung im nun fortgesetzten Hauptsacheverfahren wird diese vorläufige richterliche Regelung ersetzen.

Der Satiriker hatte Ende März in der ZDF-Sendung »Neo Magazin Royale« ein hoch umstrittenes Schmähgedicht auf Erdogan verlesen. Deswegen waren auch strafrechtliche Ermittlungen wegen Beleidigung anhängig, die die Staatsanwaltschaft Mainz inzwischen aber einstellte. Von Sprenger bekräftigte am Mittwoch vor Gericht die Position Erdogans. »Hier wird unter dem Deckmäntelchen der Kunst schwerste Beleidigung betrieben«, sagte er.

Schertz betonte, es habe sich bei dem in einen Sendungskontext eingebetteten Gedicht um einen künstlerischen Beitrag zur Debatte über Meinungsfreiheit und deren Grenzen gehandelt, der verfassungsrechtlich geschützt und nicht zu verbieten sei. »Es ist nichts anderes als in Kunstform gegossene Satire«, sagte er. AFP/nd

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