Ein aufhaltsamer Aufstieg
Der AfD bleiben bei Bürgermeisterwahlen in Sachsen-Anhalt erhoffte Erfolge verwehrt
Diesmal ist der Kelch an Bitterfeld-Wolfen vorbeigegangen, neue Negativschlagzeilen bleiben für die 40 500 Einwohner zählende Stadt aus. In deren Rathaus wird künftig nicht der erste Oberbürgermeister mit Parteibuch der AfD die Geschäfte führen. Vor der Abstimmung am Sonntag galt ihr Bewerber Kay-Uwe Ziegler noch als chancenreich; am Ende reichten seine gut 20 Prozent nicht einmal für die Stichwahl. Dort trifft CDU-Mann Armin Schenk (39 Prozent) auf den parteilosen Stadtentwickler Eckbert Flämig (23,8 Prozent)
Das Ergebnis der Landtagswahl im März hatte anderes befürchten lassen: Die AfD hatte in der Stadt beide Direktmandate gewonnen, in Bitterfeld erhielt ihr Bewerber Volker Olenicak 33,4 Prozent. Bundesweit suchten Medien danach vor allem in der einstigen Chemiestadt nach Gründen für den Aufstieg der Rechtspopulisten, die in Sachsen-Anhalt erstmals bei einer Landtagswahl zweitstärkste Kraft geworden waren. Die AfD selbst rechnete nun auch auf kommunaler Ebene mit Erfolgen; vor der Wahl am Sonntag stellte der Kreisverband Anhalt in Anspielung auf das Partei-Signet in Aussicht, dass der »blaue Blitz« wieder einschlagen werde.
In Sachsen-Anhalt werden 2016 insgesamt 67 Bürgermeister in Städten und Gemeinden gewählt. Außerdem bestimmen die Bürger die Verwaltungschefs von 17 Verbandsgemeinden neu. Am Sonntag gab es bei 15 von 20 Abstimmungen keine Sieger. Weil jeweils kein Bewerber mehr als die Hälfte der Stimmen erhielt, gehen die zwei Bestplatzierten in eine Stichwahl. Es geht aber auch anders. In etlichen Orten, darunter Kaiserpfalz und Meineweh, An der Poststraße und Huy, Kalbe und Arendsee wurden die neuen Amtschefs jeweils mit 100 Prozent der Stimmen ins Amt befördert. Sie traten ohne Konkurrenz an. hla
Daraus wurde nichts, weder in Bitterfeld-Wolfen noch etwa in Raguhn-Jeßnitz. Dort hatte man den Landtagsabgeordneten Hannes Loth aufgestellt, der im März das Direktmandat um ganze 57 Stimmen verfehlt hatte. Diesmal landete er jedoch mit 14 Prozent abgeschlagen hinter zwei parteiunabhängigen Kandidaten, die nun in die Stichwahl gehen. Deutlich wurde bei den Wahlen am Sonntag jedoch erneut, dass sich die AfD im Lande etabliert hat. Im Mansfelder Grund oder in Wetterzeube brachten es ihre Bewerber auf 24 Prozent, im Osternienburger Land auf 19,9, in der Hohen Börde auf 18,1 und im Droyßig-Zeitzer Forst auf 15,2 Prozent. Ergebnisse wie in Barby, wo auf den Kandidaten der AfD ganze 75 der 3994 gültigen Stimmen entfielen, was mageren 1,8 Prozent entspricht, sind im Land eher die Ausnahme.
Allerdings haben auch die starken Ergebnisse bisher nirgends zum Sieg gereicht. In der Verwaltungsgemeinde Mansfelder Grund setzte sich CDU-Amtsinhaber Bernd Skrypek trotz eines weiteren Bewerbers bereits in der ersten Runde mit 66 Prozent durch, in Wetterzeube entfielen die übrigen drei Viertel der Stimmen auf Amtsinhaber Frank Jacob (LINKE).
In der Landespolitik sorgen vor allem die Ergebnisse in Bitterfeld-Wolfen und Raguhn-Jeßnitz für Erleichterung. Man könne »natürlich keine Entwarnung« geben, sagte der Landtagsvizepräsident Wulf Gallert (LINKE); es zeige sich aber, dass die Erfolge der AfD »fragil« seien. Sebastian Striegel, Innenexperte der Grünen, erklärte, von der AfD regiert werden wollten »nur sehr wenige« Bürger; es zeige sich, dass sie von Bürgermeistern »ein Mindestmaß an Kompetenz« erwarten. Und David Begrich, Demokratieberater beim Magdeburger Verein »Miteinander«, fragt, ob die Resultate bereits »Zeichen des aufhaltsamen Aufstiegs« der AfD seien.
Eine Antwort auf diese Frage wird es womöglich erst im Herbst 2017 geben. Dann wird auch aufmerksam beobachtet, wie die Bundestagswahl in Bitterfeld-Wolfen verläuft – im Wahlkreis, der sich einst durch die bundesweit niedrigste Wahlbeteiligung auszeichnete und zuletzt zu einer Hochburg der AfD geworden war.
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