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König, Nazi, Polizist - das »Reichsbürgertum«

Die Politik wird auf ein Phänomen aufmerksam, das sich als eine Facette des Trends nach Rechts entpuppt

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 3 Min.

Am Landgericht Halle wurde am Freitag der Untreue-Prozess gegen den »König von Deutschland« fortgesetzt. Der Angeklagte Peter Fitzek aus Wittenberg ist einer der eher harmlosen Sorte von »Reichsbürgern«, weil sich seine Delikte mutmaßlich auf Untreue beschränken. Nazis lehnt er dem Vernehmen nach ab. Ihm wird vorgeworfen, sich 1,3 Millionen Euro in die eigene Tasche gesteckt haben, die ihm Gläubiger zur Geldanlage anvertraut hatten.

Gemeinsam mit radikaleren Vertretern der »Reichsbürger« ist Fitzek gleichwohl, dass er wie diese die Bundesrepublik nicht anerkennt. Das Deutsche Reich sei 1945 nicht untergegangen, meinen sie allesamt. Grundgesetz, bundesdeutsche Gesetze, Bescheide und Gerichtsurteile erkennen sie daher nicht an. Rechtlich ist dies jedoch keine offene Frage, die Bundesrepublik ist international anerkannter Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches. Das heißt, dass ihre Gesetze auf dem Territorium der Bundesrepublik gelten, Bankgeschäfte oder Versicherungen sind daher auch nicht neben den staatlichen Institutionen und ohne entsprechende Genehmigung zu betreiben. Peter Fitzek habe gegen das Kreditwesen verstoßen, lautet der Vorwurf gegen den 51-Jährigen.

Fitzeks »Königreich Deutschland« ist die harmlosere Variante des Konstrukts »Reichsbürger«. Zu ihm gehören auch Radikale und Nazis. Sie bedienen sich des gleichen Rechtsstandpunkts und leiten daraus das Recht auf gewaltsamen »Widerstand« gegen staatliche Behörden ab. Zu ihnen zählt wohl auch der Schütze, der bei Nürnberg einen Polizisten tötete und drei verletzte, als die Beamten sein Haus betraten.

Gewaltausbrüche von »Reichsbürgern« sind offenbar nicht so selten, wie man glauben mag. In Reuden in Sachsen-Anhalt hatte im August ein Reichsbürger Polizisten ebenfalls mit einer Waffe angegriffen und zwei von ihnen verletzt. Ein anderer fesselte 2012 einen Gerichtsvollzieher auf seinem Grundstück, der zu einer Zwangsvollstreckung erschienen war. Polizisten wurden schon bei Verkehrskontrollen umgefahren. In Sachsen-Anhalt gab es am Donnerstag in einem Jobcenter gewalttätige Rangeleien mit »Reichsbürgern«, mehrere Personen wurden verletzt.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) kündigte nunmehr eine Neubewertung der Bewegung an. Auch eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz ist im Gespräch. Bisher ist nicht einmal bekannt, um wie viele Personen es sich handelt. Das liegt auch daran, dass die »Reichsbürger« nicht als einheitliche Bewegung auftreten und die Grenzen zwischen »Wirrköpfen« und Hardcore-Nazis fließend sind. Der sächsische Verfassungsschutzpräsident Gordian Meyer-Plath wies gegenüber dem MDR darauf hin, dass vor allem die Überlappungen zu Rechtsextremisten beobachtet gehörten, »insbesondere auch in der asylfeindlichen Agitation«.

Schwierig wird es, wenn in den Behörden selbst Sympathien für die Delinquenten herrschen. So schwierig, wie wenn Sympathien für junge Rechtsradikale konsequentes Vorgehen der Polizei verhindern. Am Freitag bestätigte der bayerische Innenminister, dass gegen vier Polizisten im Freistaat Disziplinarverfahren laufen, weil sie im Verdacht stehen, der Reichsbürgerbewegung anzugehören. Ein Beamter der Bereitschaftspolizei, der auch als Ausbilder in der Polizeischule Ainring (Landkreis Berchtesgadener Land) tätig war, wurde bereits im Februar 2016 suspendiert. Er sei öffentlich aufgetreten und habe Werbung für die Reichsbürgerbewegung gemacht. Ein Beamter des Bereichs Schwaben Nord wurde am Donnerstag suspendiert. Gegen zwei weitere in Oberbayern Süd laufen Disziplinarverfahren. Bei der Landespolizei in Sachsen-Anhalt gibt es vier Disziplinarverfahren gegen Bedienstete. In drei Fällen sei bereits eine Suspendierung ausgesprochen worden, wurde am Freitag mitgeteilt. Mit Agenturen

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