Donbass: Zum Krieg ein Mord
Eine Bombe im Fahrstuhl tötete Separatistenführer / Schuldzuweisungen an Kiew
Vermutlich war es eine Bombe, die Arsen Pawlow, einen der wichtigsten Anführer der prorussischen Separatisten in der selbst ernannten Volksrepublik Donezk, am Sonntag das Leben kostete. Als der 33-Jährige, bekannt unter seinem Kampfnamen Motorola, in den Aufzug seines Wohnblocks stieg, explodierte der Sprengsatz. Die Behörden der Volksrepublik Donezk teilten am Sonntagabend mit, dass Pawlow seinen schweren Verletzungen erlag.
»Wir wissen bereits, wer diesen Mord in Auftrag gegeben hat. Wir werden aber auch diejenigen finden, die ihn ausgeführt haben«, sagt Alexander Sachartschenko, Chef der Volksrepublik Donezk - und spricht dabei über eine »Kriegserklärung« seitens des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko. »Ich verstehe es so, dass Poroschenko den Waffenstillstand verletzt und uns den Krieg erklärt hat«, betonte Sachartschenko. »Dieser Mord ist ein Aufruf an die ganze Republik. Unsererseits gibt es keine Gnade mehr.«
Nach dem Mord an Pawlow und einem angeblichen Anschlag auf Sachartschenko, der nach dessen Angaben vor einer Woche fehlschlug, wurde in Donezk ein spezielles »antiterroristisches Regime« eingeführt. Zudem gilt in dem Gebiet von Montag bis Mittwoch »offizielle Staatstrauer«. »Pawlow war ein echter Held, wir müssen ihn nun entsprechend würdigen«, erklärte Sachartschenko.
In Wahrheit war Pawlow allerdings eine der umstrittensten Figuren in der Führung der Separatisten. Der russische Staatsbürger, aus Uchta in der Republik Komi stammend, nahm bereits am zweiten Tschetschenienkrieg teil. Während der russischen Besetzung der Krim im März 2014 war er in den sogenannten Selbstverteidigungskräften der Halbinsel aktiv. Nach dem Beginn der bewaffneten Auseinandersetzung in der Ostukraine zog er schließlich in den Donbass, wo er während der Kämpfe um Slowjansk im Juni 2014 bekannt wurde. Das Bataillon Sparta, von Pawlow gegründet und geführt, galt als elitärste Einheit der Separatisten und spielte eine Schlüsselrolle während der monatelangen Kämpfe um den Donezker Flughafen.
Ob Pawlow, dem Kiew Erschießungen von Kriegsgefangenen vorwirft, aber tatsächlich von »ukrainischen Diversanten« ermordet wurde, ist fraglich. »Es ist nicht ausgeschlossen. Soweit ich weiß, gibt es aber keine Einheiten, die eine solche Operation in Donezk durchführen könnten«, berichtet eine Quelle aus dem ukrainischen Sicherheitsdienst SBU gegenüber dem Portal Strana.ua. Als weit wahrscheinlicher werden interne Streitigkeiten innerhalb der Separatistengruppen eingeschätzt. Auch die Beteiligung des russischen Geheimdienstes FSB und mögliche Rache der alten Kollegen aus dem Bataillon Sparta können nicht ganz ausgeschlossen werden.
Pawlow ist nicht der erste Separatistenführer, der ermordet wurde. Prominentester Fall war der Mord an Alexej Mosgowoj, einem der führenden Figuren der Volksrepublik Luhansk. Auch auf Luhansk-Chef Ihor Plotnizkij wurde im August ein Anschlag verübt. Der Mord an Pawlow wird die Friedensgespräche um den Donbass deutlich erschweren. Das neue »Entflechtungsabkommen«, das auf Initiative des deutschen Außenministers Frank-Walter Steinmeier mögliche wurde, stand nach dem Wochenende mit heftigen Gefechten sowieso vor dem Scheitern.
Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.