Skandalöse Zustände in Pflegeheimen
Enthüllungen beschäftigen Hessens Landespolitik
Berichte über menschenunwürdige Zustände in einem Seniorenpflegeheim in der Bankenmetropole Frankfurt am Main lassen Bevölkerung und Politik aufhorchen. Aktuelle Berichte des Hessischen Rundfunks (HR) über das Pflegeheim »Haus am Rosengarten« im Stadtteil Griesheim stützen sich dabei auf Aussagen von Insidern und Angehörigen sowie auf Videoaufnahmen mit versteckter Kamera.
Die Liste der Vorwürfe ist lang. So sollen pflegebedürftige Bewohner sich wund gelegen haben, weil sie nicht fachgerecht gebettet wurden. Andere hätten Durst, weil niemand ihnen Getränke reiche. In mit Urin verunreinigten Betten würde die Wäsche nicht ausgetauscht. Ein Bewohner habe tagelang im eigenem Kot gelegen, weil der Beutel für einen offenen Darmausgang gefehlt habe. Vielfach seien den Bewohnern alte Speisen aufgetischt worden, auf Fotos von der Einrichtung wird Ungeziefer dokumentiert.
Nach den Enthüllungen des Hessischen Rundfunks melden sich nun zahlreiche Menschen aus dem Einzugsgebiet des Senders zu Wort und prangern ähnliche Zustände auch in anderen hessischen Häusern an. »Ich habe genau dieses Heim von 2009 bis 2012 mit Medikamenten beliefert und damals schon gesagt, dass die Zustände dort unmenschlich sind. Es hat mir aber keiner wirklich zugehört und/oder es hat keinen interessiert«, beschreibt eine Frau im sozialen Netzwerk Facebook ihre Erfahrung mit dem »Haus am Rosengarten«, das dem Curata-Konzern angegliedert ist. Und weiter: »Mir treibt es noch die Tränen in die Augen, wenn ich an die Menschen denke, die damals dort gelebt haben und heute noch leben müssen.« Bereits vor Jahren hatte das zum Pflegekonzern »Casa Reha« gehörende Frankfurter Haus »An den Niddaauen« wegen ähnlicher Vorwürfe für negative Schlagzeilen gesorgt.
»Derzeit prüft das zuständige Amt für Versorgung und Soziales die Situation vor Ort«, heißt es in einer schriftlichen Erklärung des hessischen Gesundheits- und Sozialministeriums. »Alle hessischen Pflegeeinrichtungen unterliegen sowohl Regel- als auch Anlassprüfungen durch die sechs Ämter für Versorgung und Soziales.«
Der hessischen Oppositionspolitikerin und Landtagsabgeordneten der LINKEN, Marjana Schott, reicht diese hektische Betriebsamkeit der Behörden nicht. Der private Pflegeheimbetreiber Curata sei nur »ein Symptom für eine Politik der Entmenschlichung«, so Schott. Es sei längst bekannt, dass »Tausende Menschen jährlich in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen sterben, weil Gesundheitspolitik nach den Gesetzen der Marktwirtschaft statt nach Menschenrechten« gemacht werde. Überlastete Pflegekräfte, denen nur noch Zynismus die Arbeit erträglich macht, gehörten zum Alltag, so Schott. Solange Sozialminister Stefan Grüttner (CDU) und seine Kollegen wegsähen, werde sich nichts ändern.
Schott verlangt häufigere unangemeldete Kontrollen des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) in den Pflegeeinrichtungen. Vor allem aber müssten Erkenntnisse über den Zusammenhang von niedrigen Personalzahlen und hohen Sterblichkeitsraten in die Gesetzgebung für eine menschliche Gesundheits- und Pflegepolitik münden. »Das ganze profitorientierte System ist krank«, so ein Fraktionssprecher der Linkspartei gegenüber »nd«. In der Bankenmetropole könnten sich angesichts des Mangels an erschwinglichen Wohnungen viele Pflegekräfte zudem kein Dach mehr über dem Kopf leisten und müssten in das Umland ziehen.
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