Streik für den guten Kollegen

Geflüchteter soll nach vier Jahren seine Arbeitserlaubnis verlieren

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 2 Min.

Es ist ein Zeichen der Solidarität mit einem guten Kollegen: Am gestrigen Freitag sind die 220 Mitarbeiter des bayerischen Bauunternehmens Strasser für zwei Stunden in den Streik getreten. Auf 30 Baustellen ruhte zwischen 10 und 12 Uhr die Arbeit. Grund für den Protest sind nicht etwa Lohnforderungen oder schlechte Arbeitsbedingungen. Die Beschäftigten setzen sich mit der Aktion für einen afghanischen Kollegen ein, dem nicht nur ein Arbeitsverbot, sondern im schlimmsten Fall die Abschiebung droht.

Seit vier Jahren ist Tavus Qurban als Bauarbeiter bei Strasser tätig. Sein Chef findet viele lobende Worte: »Mit großem Fleiß« habe er Deutsch gelernt, sei »stets arbeitswillig« gewesen und habe sich gut eingearbeitet. In einer Pressemitteilung heißt es: »Inzwischen ist Tavus Qurban voll im Unternehmen integriert. Er bezahlt seine eigene Mietwohnung, führt Steuern und Krankenversicherung ab, so wie jeder andere berufstätige deutsche Mitbürger.« Doch die bayerischen Behörden interessiert das alles nicht.

Vor fünf Jahren floh er aus Afghanistan, seitdem musste Qurban bangen, ob er sich dauerhaft ein Leben in Deutschland aufbauen kann. In der kommenden Woche soll er seine Arbeitserlaubnis verlieren. Grund für die ungewisse Zukunft sind Probleme mit dem Pass. Als Qurban 2010 nach Deutschland kam, hatte er keine Dokumente. Nicht unüblich in einem Land, wo in manchen Regionen nicht einmal Geburtsurkunden eine Selbstverständlichkeit darstellen. Bereits im Jahr 2013 lehnten die Behörden Qurbans Asylantrag ab, seitdem wurde er lediglich geduldet, durfte aber immerhin arbeiten und fand so seinen Weg zur Baufirma Strasser. Doch weil der Afghane bis heute keinen Pass seines Heimatlandes vorlegen kann, entzieht ihm das zuständige Landratsamt Altötting zum 1. Oktober die Erlaubnis. Er habe bei der Beschaffung des Dokumentes nicht mitgewirkt, verteidigt man dort die Entscheidung. Einen Spielraum sieht die Behörde laut »Welt« nicht mehr.

Allerdings hat die Sache einen Haken: Sollte Qurban einen Pass bekommen, würde es den Behörden überhaupt erst möglich, ihn abzuschieben. »Es ist schlicht und einfach so, dass ich solch zuverlässige Mitarbeiter brauche«, betont Birnbacher gegenüber innsalzach24.de. Inzwischen habe die Firma einen Anwalt eingeschaltet, um ihrem in Not geratenen Mitarbeiter zu helfen. Erschwerend kommt hinzu: Qurban ist Analphabet, für Behördengänge ist er auf Hilfe angewiesen. Wahrscheinlich wäre dies eine sinnvollere Aufgabe für die bayerischen Behörden gewesen.

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