Bauarbeiter streiken für afghanischen Kollegen
Geflüchteter soll nach vier Jahren seine Arbeitserlaubnis verlieren / Firma solidarisiert sich mit Geflüchteten / Chef: »Inzwischen ist Tavus Qurban voll im Unternehmen integriert«
Es ist ein Zeichen der Solidarität mit einem guten Kollegen und geschätzten Freund: An diesem Freitag sind die insgesamt 220 Mitarbeiter des bayerischen Bauunternehmens Strasser für zwei Stunden in den Streik getreten. Auf insgesamt 30 Baustellen ruhte zwischen 10 und 12 Uhr die Arbeit. Grund für den Protest sind nicht etwa Forderungen nach einem höheren Lohn oder gegen schlechte Arbeitsbedingungen. Die Beschäftigten wollen sich mit der Aktion für einen afghanischen Kollegen einsetzen, dem nicht nur ein Arbeitsverbot, sondern im schlimmsten Fall die Abschiebung droht.
Seit inzwischen fast vier Jahren ist Tavus Qurban als Bauarbeiter für Strasser tätig. Sein Chef findet nur lobende Worte für seinen Mitarbeiter: »Mit großen Fleiß« habe er Deutsch gelernt, sei »stets arbeitswillig« gewesen und habe sich gut eingearbeitet. In einer Pressemitteilung heißt es: »Inzwischen ist Tavus Qurban voll im Unternehmen integriert. Er bezahlt seine eigene Mietwohnung, führt Steuern und Krankenversicherung ab, so wie jeder andere berufstätige deutsche Mitbürger.« Alles in Ordnung, Qurban ist nach den gängigen Vorstellungen ein mustergültig Integrierter. Doch die bayerischen Behörden interessiert das alles nicht.
Vor fünf Jahren floh er aus Afghanistan, seitdem musste Qurban bangen, ob er sich dauerhaft ein Leben in Deutschland aufbauen kann. In der kommenden Woche soll er seine Arbeitserlaubnis verlieren. »Dass Tavus das Unternehmen verlassen soll, werden wir nicht akzeptieren«, erklärte Firmenchef Stefan Birnbacher gegenüber der »Welt«.
Grund für die ungewisse Zukunft sind Probleme mit dem Pass. Als Qurban 2010 nach Deutschland kam, hatte er keine Dokumente bei sich. Nicht unüblich in einem Land, wo in manchen Regionen nicht einmal Geburtsurkunden eine Selbstverständlichkeit darstellen. Bereits im Jahr 2013 lehnten die Behörden Qurbans Asylantrag ab, seitdem wurde er lediglich geduldet, durfte aber immerhin arbeiten und fand so seinen Weg zur Baufirma Strasser. Doch weil der Afghane bis heute keinen Pass seines Heimatlandes vorlegen kann, entzieht ihm das zuständige Landratsamt Altötting zum 1. Oktober die Erlaubnis. Er habe bei der Beschaffung des Dokumentes nicht mitgewirkt, verteidigt man dort die Entscheidung. Einen Spielraum sieht die Behörde laut »Welt« nicht mehr.
Allerdings hat die Sache einen entscheidenden Haken: Sollte Qurban einen Pass bekommen, würde es den Behörden überhaupt erst möglich werden, ihn nach Afghanistan abzuschieben. Doch dahin will er auf keinen Fall zurück.
»Es ist schlicht und einfach so, dass ich solch zuverlässige Mitarbeiter brauche«, betont Birnbacher gegenüber innsalzach24.de. Inzwischen habe die Firma auch einen Anwalt eingeschaltet, um ihrem in Not geratenen Mitarbeiter zu helfen. Erschwerend kommt hinzu: Qurban ist Analphabet, kann weder in seiner Muttersprache noch auf Deutsch Lesen und Schreiben. Für Behördengänge ist er auf Hilfe angewiesen. Vielleicht hätten ihm die bayerischen Behörden da einfach mehr helfen sollen.
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