Natural Born Provokateur

Oliver Stone wird 70

  • Tobias Riegel
  • Lesedauer: 3 Min.

Man sagt, meine Mittel seien nicht subtil. Aber das ist zuallererst, was wir brauchen: ein Kino, das uns wachrüttelt, unsere Nerven und unser Herz.« Aus diesem Zitat spricht der linke Propagandist Oliver Stone, der aus seiner auf emotionale Wirkung zielenden Herangehensweise an politische Themen keinen Hehl macht. Mit dieser Haltung hat sich der US-amerikanische Regisseur, Drehbuchautor und Produzent vor allem (aber nicht nur) unter eindeutigen Reaktionären Kritiker geschaffen. Zusätzlich zum Hang, komplexe Themen emotional zuzuspitzen, hat Stone als Autor aber die große Gabe mitzureißen und seine Geschichten mit einer kraftstrotzenden inneren Überzeugung zu erzählen, die auf den Zuschauer abfärben kann. Dieses Talent zum Aufwiegeln und (als Regisseur) die exzessive Experimentierfreudigkeit mit pseudodokumentarischen Elementen, psychedelischen Farbfiltern oder abrupt wechselnden Formaten wie VHS, 8mm, Super-8, 16mm, Super 16, 35mm und 70-mm-Film (»Natural Born Killers«) erheben den latenten Populisten zu einem der großen Filmschaffenden und zu einem der letzten politischen Mahner Hollywoods. Diesen Donnerstag wird Oliver Stone 70 Jahre alt.

Vietnamveteran, Kokainabhängiger, bekennender Marihuana-Genießer, Sohn eines glücklosen Börsenbrokers: Bei einigen seiner Filme hat Stone die Themen, die er mit Saft- und Kraft-Prosa, wilden Schnitten und teils exzessiver Gewaltdarstellung anging, selber intensiv durchlebt - wie etwa in »Platoon« (Buch, Regie), »Scarface« (Buch) oder »Wall Street« (Buch, Regie). Schief ging es dagegen meist, wenn er sich zu weit von seinem persönlichen Erfahrungsschatz entfernte wie in dem Sportlerdrama »An jedem verdammten Sonntag«, dem grässlichen Historienschinken »Alexander« und dem kitschig-nichtssagenden 9/11-Drama »World Trade Center«.

In einer offensichtlich großen Lust an der Provokation, aber auch aus spürbarem Pflichtgefühl, besonders dreiste Propaganda zu kontern, feierte der gebürtige New Yorker immer wieder die offiziellen Staatsfeinde der USA: Im großartigen »Salvador« brach der dreifache Ocargewinner eine Lanze für Oscar Romero, in sehr freundlichen Doku-Porträts wurden Fidel Castro und Hugo Chavez verewigt, in »JFK« entlastete er den Sündenbock des Kennedy-Mordes Lee Harvey Oswald, gerade produzierte er einen Film über die Ukraine, in dem er die Vorgänge von 2014 als das beschreibt, was sie waren: ein westlich-neoliberaler Putsch gegen einen gewählten Präsidenten.

Und ganz aktuell bezeichnet er einen weiteren US-Abtrünnigen gar als »Helden«: Nicht nur im nächste Woche startenden Film »Snowden« (Rezension folgt), sondern auch als Privatmann wirft sich der von Martin Scorsese ausgebildete Oliver Stone für den NSA-Whistleblower in die Bresche. Und er zürnt: »Kein Hollywood-Studio wollte das Thema anrühren. Es war eine Schande.« Dabei hätte Snowden der Welt die Augen geöffnet: »Das ganze System ist am Arsch«, schimpfte er kürzlich in Interviews. Die US-Regierung führe mithilfe der Geheimdienste Krieg gegen die eigene Bevölkerung. »Snowden hat uns dieses Problem vor die Haustür gebracht.« Keine Gnade kennt er in diesem Zusammenhang mit Präsident Barack Obama, der »einer der effizientesten Manager dieser Überwachungswelt« sei: »Er hat das Geld, die Raketen, Satelliten bereitgestellt. Er hat diese Welt geschaffen.«

Dass jemand vom Kaliber Stones Donald Trump verachtet, versteht sich. Das Schlimme bei dieser US-Wahl aber ist ja, dass es als Alternative kein wirklich kleineres Übel (mit Wahlchancen) gibt, sondern nur Hillary: »Sie ist eine Kriegerin. Sie scheint keine kritische Selbstwahrnehmung zu haben, was die Kriege angeht, die sie unterstützt hat. Wo man auch hinschaut, hat sie aussichtslose militärische Lösungen bevorzugt. Clinton mag das Militär und versteht sich blendend mit seinen Repräsentanten.«

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