Es stockt der Atem
Im Kino: »Don’t Breathe«
Es ist eine schaurige Übung in gnadenloser Effektivität und konsequentem Minimalismus: Fede Alvarez’ Einbruchs- und Abwehr-Thriller »Don’t Breathe« muss zwar angesichts der etwas zu euphorischen Vorschusslorbeeren leicht enttäuschen. Dennoch raubt er den Zuschauern ein ums andere Mal ebenso den Atem wie seinen mit einer blinden, aber gar nicht hilflosen Kampfmaschine eingeschlossenen Protagonisten.
Der große Erfolg des Reißers mit dem schmalen Budget (zehn Millionen Dollar), der aktuell die US-Kinocharts anführt, ist ein Zeichen, eine Kampfansage oder doch zumindest ein kleiner Hoffnungsschimmer: Das Publikum ist der gleichförmigen Comicverfilmungen und der mit immer verrückteren Geldbeträgen angerührten Fantasy-Quark überdrüssig. Es verlangt und belohnt neben monumentalen und sterilen Computer-Epen wieder den dreckigen kleinen Film, der mit Gewalt, Chuzpe und originellen (menschlichen) Charakteren aufwartet statt mit fernen Welten, Superkräften und obszönen Budgets.
Darum verweist »Don't Breathe« aktuell die mit 175 Millionen Dollar um ein Vielfaches so teure DC-Comic-Farce »Suicide Squad« auf die Plätze und darum floppten in diesem Jahr die Superhelden gleich reihenweise an der Kinokasse. Und darum fahren kleine, harte Genrefilme mit Underground-Touch ungeahnte Ergebnisse ein: »Lights Out« (US-Einspielergebnis bislang: 126 Millionen, Budget: 4,9 Millionen), »The Purge 3: Election Year« (105 Millionen bei 10 Millionen Budget), »Cloverfield Lane«, »Conjouring 2«, »The Green Room«. Dass diese Filme allesamt vor Gemeinheiten fast bersten, wirft auch ein Licht auf die aktuellen Kompensationsbedürfnisse vieler Menschen.
Der Tunichtgut Money (Daniel Zovatto), das White-Trash-Mädchen Rocky (Jane Levy) und der in Rocky verliebte Alex wittern in »Don’t Breathe« nach einer Reihe von kleinen Einbrüchen ihre Chance auf den großen Fischzug: In einer einsamen und heruntergekommenen Siedlung lebt ein blinder Mann (Stephen Lang), dem wegen des Unfalltodes seines Kindes eine große Summe Schmerzensgeld zugesprochen wurde. Doch bei dem vermeintlich leichten Coup geht alles schief: Der Blinde ist kein klappriger Tattergreis, sondern ein sehniger und durchtrainierter Kriegsveteran, der sich mit Körperkraft, versteckten Revolvern und spitzen oder scharfen Haushaltsgeräten aller Art zur Wehr setzt. Plötzlich sind die Auswege versperrt, eine rasante Hatz über drei Stockwerke und durch die Luftschächte beginnt. Den Keller sollten die Diebe ohnehin meiden! Kurze Schockmomente treffen auf verblüffende Wendungen - und dann geht auch noch das Licht aus.
Hier wird der Home-Invasion-Horror weder inhaltlich noch ästhetisch neu erfunden, weshalb einige der hymnischen Kritiken etwas übertrieben anmuten. Eine schnörkellose und konzentrierte Arbeit zum Thema menschengemachter Schrecken ist der Film aber allemal.
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