Asyl in Wünsdorf
Brandenburg nimmt Berlin gegen Bezahlung bis zu 995 Flüchtlinge ab
Nur die Sicherung des Geländes mit Bauzäunen sieht provisorisch aus. Ansonsten ist das ehemalige Verwaltungszentrum in Wünsdorf (Teltow-Fläming) vergleichsweise erstklassig für die Unterbringung von Flüchtlingen hergerichtet. Viel schneller und besser als das Land Berlin stellte sich das Land Brandenburg in den zurückliegenden zwei Jahren auf die Ankunft tausender Asylbewerber ein. Jetzt, wo weniger Menschen eintreffen, konnte es den geplanten Ausbau abbrechen und sogar noch freie Plätze für Berlin anbieten.
995 Betten für die Erstaufnahme von Flüchtlingen stellt Brandenburg zur Verfügung. Berlin zahlt 34 Euro täglich pro Person, zusätzlich finanziert der Senat das Taschengeld der Leute und ihre medizinische Versorgung. Sollte die Einrichtung wider Erwarten leer stehen, so müsste Berlin monatlich mindestens die Zahlungen für 330 Plätze leisten. Der Vertrag über die Nutzung des Gebäudekomplexes in Wünsdorf läuft wenigstens ein Jahr, ist aber zeitlich unbefristet. Ferner ist ausgemacht, dass höchstens 300 der in Wünsdorf vorhandenen 995 Plätze mit alleinstehenden jungen Männern belegt werden. Der rot-schwarze Berliner Senat und das rot-rote Kabinett Brandenburgs stimmten diesen Vereinbarungen am Dienstag zu.
»Der Rückgang der Asylbewerberzahlen seit Jahresbeginn ermöglicht uns diese Unterstützung für unser Nachbarland Berlin«, erklärte Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) anschließend in der Potsdamer Staatskanzlei. »Mit Wünsdorf konnten wir Berlin auch einen Standort mit sehr guten Verkehrsverbindungen in die Hauptstadt anbieten«, sagte er. »Uns kam es in den Verhandlungen mit Berlin vor allem darauf an, eine ausgewogene Mischung der Asylbewerber sicherzustellen, die eine einseitige Belegung mit allein reisenden jungen Männern verhindert. Das ist gelungen.«
Schröter geht davon aus, dass Berlin die ersten Flüchtlinge ab Oktober nach Wünsdorf schicken wird. Es wird sich dann um Flüchtlinge handeln, die bereits registriert und von Ärzten untersucht und geimpft sind, und die ihren Asylantrag bereits gestellt haben. Sie müssen hier einige Monate ausharren und sollen dann in die Hauptstadt zurückkehren.
Das findet die Landtagsabgeordnete Ursula Nonnemacher (Grüne) nicht richtig. Sie ist überzeugt davon, dass es die Flüchtlinge in den Zimmern in Wünsdorf besser haben werden als in Berlin in überfüllten Turnhallen. Aber in Berlin herrscht Wohnungsnot. Darum hätte die Politik »Nägel mit Köpfen« machen sollen, sagt Nonnemacher. Das heißt, die Flüchtlinge sollten besser von Wünsdorf aus auf brandenburgische Kommunen verteilt werden. Immerhin sind dort rund 10 000 Plätze in Asylheimen leer. Es gibt eilig eingerichtete Notunterkünfte wie eine Traglufthalle in Nauen, aber auch bessere Herbergen wie ein extra angemietetes Hotel in Michendorf, die nie bezogen worden sind. Nach Schätzung des märkischen Städte- und Gemeindebundes belaufen sich die Kosten für den Leerstand auf 16 Millionen Euro im Jahr. Diese Kosten könnten gesenkt werden, so argumentierte Nonnemacher am Dienstag, wenn Brandenburg dem Land Berlin die Flüchtlinge nicht nur vorübergehend abnehmen würde.
Die AfD sieht dies selbstverständlich ganz anders. Ihr geht schon die zeitweise Aufnahme von 995 Asylbewerbern viel zu weit. Die AfD sei »völlig dagegen«, dass der Hauptstadt in dieser Weise unter die Arme gegriffen werde, schimpfte der Landtagsabgeordnete Andreas Kalbitz. Dies sei eine »billige Wahlkampfhilfe«, polterte er und behauptete, dies geschehe aus Angst vor einem Erfolg der AfD bei der Berliner Abgeordnetenhauswahl am 18. September. »Rein technisch« sei die Übereinkunft »nachvollziehbar«, räumte Kalbitz ein. Aber: »Wir wollen diese 1000 zusätzlichen Flüchtlinge in Brandenburg nicht haben.« Fraktionschef Alexander Gauland fügte giftig hinzu: »... da wir sie auch in Deutschland nicht haben wollen«. Seite 4
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