Proteste und ein Streik der Polizei zum Olympiastart

Kurz vor der Eröffnung der Spiele legen Sicherheitsbeamte die Arbeit nieder und Protestierende gehen auf die Straße

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Rio de Janeiro. Die Sicherheitslage im Vorfeld der Olympischen Spiele in Brasilien bleibt angespannt. In der Hauptstadt Brasilia ist die Zivilpolizei am Donnerstag für 48 Stunden in einen Streik getreten. Militärpolizisten übernahmen den Schutz von Athleten und Besuchern, wie die Zeitung »O Globo« in ihrer Online-Ausgabe berichtete. Ursache des Streiks sind Lohnforderungen. In der Hauptstadt werden mehrere Spiele des olympischen Fußball-Turniers ausgetragen.

Mit dem traditionellen Entzünden der olympischen Flamme werden die Sportwettkämpfe am Freitag in Rio de Janeiro eröffnet. Kritiker haben Proteste angekündigt. Soziale Bewegungen und Gewerkschaften wollten am Copacabana-Strand gegen die ihrer Meinung nach hohen Kosten der Veranstaltung und gegen die konservative Regierung von Übergangspräsident Michel Temer protestieren. Mit einer Demonstration nahe des Maracanã-Stadions, in dem die Spiele eröffnet werden sollten, wollten Kritiker am Freitagnachmittag Menschenrechtsverletzungen bei der Vorbereitung des Sportevents anprangern.

Polizeigewalt nimmt zu

Das olympische Feuer verliert seine magischen Kräfte. Seit es im Bundesstaat Rio de Janeiro ankommen ist, steht es weniger als Symbol für ein friedliches Sportfest, als vielmehr für Proteste, Polizeigewalt und Tod. 20 Kilometer von der Stadt Rio entfernt protestierten Professoren und Studenten gegen die schlechte Bildungssituation und ausstehende Gehälter. In Angra, 120 Kilometer westlich von Rio, erlosch das Feuer sogar aufgrund der Proteste gegen die Kosten Olympias und den brasilianischen Interimspräsidenten Michel Temer.

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Es ist dasselbe Lied wie bei anderen Großveranstaltungen, die Brasilien in den letzten Jahren auf sich nahm. Geld wird an allen Ecken und Enden der sozialen Bereiche benötigt, investiert wird es in den Sport. 10,5 Milliarden Euro kosten die Olympischen Spiele 2016, viel Geld für Brasilien und eine Stadt wie Rio de Janeiro.

Proteste in Brasilien

Zum Start der Olympischen Spiele in Rio de Janeiro am Freitag rufen brasilianische Aktivisten und Gewerkschaftler zu Demonstrationen auf. Deutsche Menschenrechtler fordern unterdessen die Einhaltung der Kinderrechte und den Schutz der indigenen Bevölkerung Brasiliens. Ein Virologe warnte vor der ungebrochenen Gefahr durch das Zika-Virus.

Zur Eröffnungszeremonie der 31. Olympischen Sommerspiele am Zuckerhut werden etwa 30 Staats- und Regierungschefs erwartet, unter ihnen auch Bundespräsident Joachim Gauck. Bis zum 21. August werden über 11.000 um 306 Goldmedaillen wetteifern. Es sind die ersten Olympischen Spiele in Südamerika.

Bereits vor der Eröffnung werden soziale Bewegungen und Gewerkschaften am Copacabana-Strand gegen die hohen Kosten der Veranstaltung und gegen die Regierung von Übergangspräsident Michel Temer demonstrieren. Seit Beginn der Woche veranstalten Kritiker zahlreiche Protestaktionen. Auf dem Lauf mit dem olympischen Feuer kam es in einigen Städten zu Tumulten und Festnahm. Mehrfach gelang es Demonstranten, das Feuer kurzzeitig zu löschen. In einem Vorort von Rio gelang es der Polizei am Mittwoch nur mit dem Einsatz von Tränengas und Gummigeschossen, wütende Demonstranten von den Fackelläufern fernzuhalten.

Mit einer Demonstration nahe des Maracanã-Stadions, in dem die Spiele eröffnet werden, wollen Kritiker am Freitag zudem auf Menschenrechtsverletzungen bei der Vorbereitung des Sportevents aufmerksam machen. Sie prangern die Organisatoren und die Regierung für ausufernde Polizeigewalt, die Privatisierung des öffentlichen Raums sowie die Räumung von Tausenden Familien zur Errichtung der olympischen Infrastruktur an.

Yvonne Bangert von der Gesellschaft für bedrohte Völker sagte am Donnerstag in Göttingen, mehr als ein Drittel der fast 700 indigenen Territorien in Brasilien sei akut durch Landraub und Wirtschaftsinteressen bedroht. »Viele Indigene können mit dem Olympischen Feuer wenig anfangen, denn in ihren Gebieten herrscht zerstörerische Goldgräberstimmung.« Neue Gesetzes- und Verfassungsänderungen stellten den Schutz dieser Gebiete infrage und bedrohten damit die Existenzgrundlage der Ureinwohner.

Das Kinderhilfswerk »terre des hommes« forderte das Internationale Olympische Komitee (IOC) zu einem besseren Schutz Minderjähriger auf. »Die Einhaltung von Kinderrechten muss vertraglich garantiert werden, ehe Organisationen wie der IOC oder der Fußball-Weltverband FIFA sportliche Großveranstaltungen vergeben«, sagte der Lateinamerika-Referent des Hilfswerks, Jens Kunischewski, der »Neuen Osnabrücker Zeitung« (Donnerstagsausgabe). Nach konservativen Schätzungen seien in Rio de Janeiro 4.000 Familien zwangsumgesiedelt worden, um Bauvorhaben für Olympia zu realisieren. Weitere 2.000 seien von einer Vertreibung bedroht. Agenturen/nd

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