Wer bewegt sich wie aus Aleppo?

Widersprüchliche Angaben über die von Damaskus eingerichteten sogenannten humanitären Korridore

  • Lesedauer: 2 Min.

Damaskus. Schätzungsweise 250 000 Menschen sitzen derzeit im Ostteil der syrischen Stadt Aleppo fest. Nach der Einrichtung sogenannter humanitärer Korridore ist nach Darstellung von Damaskus und Moskau erstmals eine größere Zahl von Zivilisten aus den belagerten Rebellenvierteln geflohen. »Dutzende Familien« seien am Samstag in dem von Regierungstruppen kontrollierten Bezirk Salaheddin eingetroffen, meldete die amtliche Nachrichtenagentur Sana. Einwohner und Rebellen sprachen von »Lügen« und erklärten, es gebe keinerlei Flüchtlingsbewegungen.

Ein Anführer der Rebellengruppe Nureddin al-Sinki sagte der Nachrichtenagentur AFP, der Übergang Bustan al-Kasr sei nicht geöffnet worden, »im Gegenteil: sie haben ihre Luftangriffe auf den Übergang verstärkt«. »Das Regime lügt«, fügte er hinzu. Auch eine Korrespondentin der AFP beobachtete keine Flüchtlingsbewegungen zwischen Ost und West in Aleppo. Am Übergang nach Salaheddin waren nach wie vor provisorische Wälle zu sehen.

Die oppositionsnahe Beobachtungsstelle für Menschenrechte bestätigte lediglich die Flucht von etwa 20 Menschen aus den von Rebellen gehaltenen Stadtvierteln. Darunter seien jedoch keine Kämpfer gewesen.

Die Zivilisten wurden laut Sana in Notunterkünfte gebracht. Aufnahmen des Staatsfernsehens zeigten in erster Linie Frauen und Kinder, wie sie in Busse der Armee stiegen. Neben den Familien habe auch eine Gruppe von »Frauen über 40« die östlichen Viertel der einstigen Wirtschaftsmetropole verlassen, berichtete Sana weiter.

Das russische Verteidigungsministerium gab derweil an, zusätzlich zu den drei vorhandenen Korridoren würden vier weitere Passagen geöffnet. Über die ersten drei Korridore seien bislang 169 Zivilisten gekommen. Zudem hätten sich 69 Rebellen ergeben. 59 Menschen hätten medizinische Hilfe erhalten. Demnach wurden 14 Tonnen Hilfsgüter in das »Gebiet der Passierpunkte« geliefert sowie 2500 Versorgungspakete über den Rebellenvierteln abgeworfen.

Russland hatte am Donnerstag die Einrichtung mehrerer Fluchtkorridore in Aleppo verkündet. Die Routen sollen den eingeschlossenen Zivilisten sowie Rebellen, die ihre Waffen niederlegen, einen Weg aus der von den Regierungstruppen belagerten Großstadt ermöglichen. Vor gut zwei Wochen hatten die syrische Armee und ihre Verbündeten die letzte Versorgungsroute in die Rebellenviertel von Aleppo gekappt.

Zunächst trauten sich jedoch nur vereinzelte Zivilisten, die Korridore zu nutzen. Die UNO will deshalb die Kontrolle über die Fluchtkorridore übernehmen, was Russland und das syrische Militär aber bisher ablehnten. Die syrische Opposition, Rebellen, aber auch mehrere westliche Länder wie die USA hatten die Einrichtung der Hilfskorridore skeptisch beurteilt.

Die internationale Gemeinschaft hat die Regierungstruppen aufgefordert, die Belagerung der Rebellenviertel zu beenden. Hilfsorganisationen warnen seit Tagen vor einer menschengemachten Katastrophe in Aleppo. Agenturen/nd

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