Vonovia dämmt die Mieter weg

Schmargendorfer Bewohner wehren sich seit über einem Jahr gegen Sanierungspläne

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.
Mit kompetentem Rechtsbeistand konnten sich Mieter der Wohnanlage mit 194 Einheiten bisher gegen die Sanierung behaupten.

Von Weitem wirkt die Runde wie ein netter Plausch unter Nachbarn. Einige Dutzend Menschen von jung bis alt versammeln sich an diesem Donnerstagabend im großzügigen Hof einer aus den 1930er Jahren stammenden Wohnanlage in Schmargendorf. An dem lauen Sommerabend geht es den Mietern der unweit des Hohenzollerndamms gelegenen Anlage jedoch darum, dass sie in ihren Wohnungen dauerhaft bleiben können. Viele befürchten eine Verdrängung, wenn die Eigentümerin Vonovia sich mit ihren Plänen durchsetzt.

Wie so oft heißt das Schreckgespenst energetische Sanierung. Durch die elfprozentige Umlage der Kosten steigen die Mieten enorm, die erzielte Ersparnis bei der Energie ist jedoch klein. »Entgegen der allgemeinen Ansicht wohnen hier in der Gegend nicht nur gut betuchte Leute«, sagt Fred Grätz, der schon lange in der Anlage mit 194 Wohnungen lebt.

Wie jeden Donnerstag seit April 2015 treffen sich die Mieter. Heute besprechen sie die Zurückweisung der Modernisierungsankündigung. Es ist inzwischen der dritte Versuch der Vonovia, rechtlich einwandfrei ihre Pläne umzusetzen. Zum Teil legte das Unternehmen in der Vergangenheit bereits los. Die Mieter konnten mit diversen Einstweiligen Verfügungen die Arbeiten immer wieder stoppen, so dass das Ensemble mittlerweile ein Flickenteppich aus alten und neuen Fenstern, gedämmten und nicht gedämmten Fassaden ist.

»Obwohl wir bisher recht erfolgreich waren, sind seitdem rund 25 Mieter ausgezogen«, berichtet Grätz. Viele hielten dem psychischen Druck nicht stand und zogen um, sobald sie etwas halbwegs Bezahlbares gefunden haben. »Wir zahlen durchschnittlich 5,71 Euro kalt pro Quadratmeter, neue Mieter 9,50 Euro.«

Bei dem langen Hin und Her hat die Vonovia bereits in einigen Punkten eingelenkt. Unter anderem, dass eine maximale Umlage von 1,65 pro Quadratmeter zu zahlen ist. »Sie versuchen uns aber auszutricksen«, berichtet Grätz. Zum Beispiel mit der Wahl zwischen zwei Fenstermodellen. »Wenn man dann unterschreibt, hat man seine Einwilligung zur Modernisierung gegeben.« Ohne Zustimmung könnte die durch die dickeren Rahmen kleinere Glasfläche mietmindernd anerkannt werden. 2004 billigte das Landgericht Berlin einem Mieter drei Prozent Minderung pro Fenster zu. »Damit hätte sich praktisch die ganze Umlage in Luft aufgelöst«, sagt Grätz und unterschreibt die dritte Zurückweisung der Modernisierungsankündigung.

Der Berliner Mieterverein freut sich, dass durch die Initiative der Mieter so viel Druck aufgebaut werden konnte, dass die Vonovia zumindest Verhandlungsbereitschaft zeigt. »Die Modernisierung wird vom größten Teil der Mieterschaft begrüßt«, heißt es bei der Vonovia. »Wir machen keine Luxussanierungen«, sagt Sprecherin Bettina Benner. Die nächste mögliche Waffe der Schmargendorfer Mieter: Denkmalschutz. Eine Prüfung läuft. Im Reinickendorfer Lettekiez rollt der nächste Mieterprotest gegen die Vonovia an.

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