Sanders’ Freunde mit Tränen für Clinton
Der Auftakt des Parteitags der US-Demokraten wäre fast zu einer Blamage für die Parteiführung geworden
Der demokratische Sozialist Bernie Sanders hat in einer Abschlussrede zum Auftakt des Parteitags der USA-Demokraten am Montagabend zur Unterstützung und zur Wahl seiner Vorwahlrivalin Hillary Clinton aufgerufen. Gleichzeitig betonte Sanders, die »politische Revolution« müsse über die Wahlen hinweg weitergeführt werden.
»Wahlen kommen und gehen, aber der Kampf der Bevölkerung um eine Regierung, die uns alle und nicht nur das eine Prozent repräsentiert, geht weiter, um eine Regierung, die auf den Grundlagen von wirtschaftlicher und sozialer Gerechtigkeit, auf Antirassismus und Umweltschutz beruht«, sagte Sanders. Er dankte seinen Mitstreitern und wies auf das »fortschrittlichste Parteiprogramm« hin, das die Demokraten je hatten. Die darin enthaltenen Forderungen gelte es gegen Donald Trump und die Republikaner durchzusetzen - mithilfe einer progressiven Bewegung, einem demokratisch kontrollierten Kongress und Hillary Clinton als Präsidentin. Der Wahlaufruf für Clinton war eine bittere Pille für die meisten Delegierten aus dem Sanders-Lager - vor allem jungen standen Tränen in den Augen. Aber Sanders hatte genau diesen Schritt bereits vor Monaten angekündigt. Bereits vor Sanders hatten sich zahlreiche Kongressabgeordnete, Senatoren und Gouverneure sowie First Lady Michelle Obama für Clinton ausgesprochen.
Der Auftakt zum viertägigen Parteitags wäre fast zu einer Blamage für die Parteiführung und die designierte Nominierungskandidatin geworden. Denn die schlechte Stimmung, die die Enthüllungen der Internetplattfom Wikileaks bei den Anhängern und Delegierten des demokratischen Sozialisten Bernie Sanders am Wochenende erzeugt hatte, wuchs sich aus und verstärkte das Misstrauen in die Parteiführung.
Wikileaks zugespielte E-Mails, wenige Tage vor dem Parteitag veröffentlicht, unterstrichen schwarz auf weiß, was Sanders im Vorwahlkampf mehrmals beklagt hatte: dass die zur innerparteilichen Neutralität verpflichtete Führung, das Democratic National Committee DNC, sich im Vorwahlkampf einseitig hinter Clinton und gegen Sanders gestellt hatte. In dem veröffentlichten E-Mail-Verkehr wird der Habitus von etlichen DNC-Spitzen deutlich: herablassend und offenbar auch zu miesen Tricks bereit, um Sanders eins auszuwischen. Das Ziel: um jeden Preis seine Vorwahlchancen vermindern.
Um die Sanders-Anhänger zu besänftigen, kündigte die Parteichefin Debbie Wasserman Schultz am Sonntagabend ihren Rücktritt an. Noch am Montagmorgen ging eine relativ unwichtige Ansprache, die sie intern vor Parteitagsdelegierten aus Florida halten wollte, in Buhrufen unter. Nur Stunden vor der Eröffnung der Democratic Convention ließ sie mitteilen, dass sie auch dafür nicht zur Verfügung stehe. Dass Wasserman Schultz aus der Schusslinie gezogen wurde, dämpfte aber den Ärger vieler Sanders-Anhänger und -Delegierter nicht, weder draußen noch drinnen. Vor den Eingängen zum von der Polizei abgeriegelten Well-Fargo-Center sammelten sich Hunderte, darunter viele Parteigänger der USA-Grünen. Mehr als dreißig Menschen, die sich zum Sit-In niederließen, wurden dabei festgenommen.
Bernie Sanders hielt am Montagnachmittag vor Hunderten von Delegierten eine Ansprache, in der er um ihre Unterstützung für den Wahlkampf Clintons warb. Doch dafür wurde er ausgebuht. Minuten vor der Eröffnung des Parteitags verschickt er an alle seine Delegierten eine SMS mit der dringenden Bitte, »Proteste im Plenum zu unterlassen«. Alles andere schade letztendlich der Bewegung.
Innerhalb der Arena drohte die Stimmung während der ersten Reden von Parteifunktionären und Politikern zu kippen. Hunderte erwiderten auf jede positive Bezugnahme von Hillary Clinton mit lauten »Bernie, Bernie«-Sprechchören. Andere riefen »war hawk, war hawk« (Kriegstreiberin) oder »not for sale« (wir sind nicht käuflich).
Gegenüber »nd« sagte ein pensionierter Soziologieprofessor und Delegierter aus Ohio, der hinter Bernie Sanders steht, er wisse von Dutzenden seiner Kollegen, sie seien bereit zu Sitzstreiks und Aktionen zivilen Ungehorsams, um »vor der Weltpresse auf die korrupte Führung dieser Partei hinzuweisen«. Doch dazu kam es am Montag nicht. Mehrere Blogger berichteten, die Clinton- und Sanders-Strategen hätten seit den frühen Morgenstunden in ständigem Kontakt zueinander ihre Schritte koordiniert. Das Ziel beider Seiten sei es, den Parteitag so störungsfrei wie möglich zu gestalten, um den Trump-Republikanern keinen Gefallen zu tun.
Für Dienstag wurde erwartet, dass sich die Stimmung der Delegierten erneut äußert, wenn Bundesstaat für Bundesstaat zur Stimmabgabe für Sanders und Clinton aufgerufen war und damit die Nominierung amtlich feststeht. Außerdem wird sich zeigen, ob die »Krönung« von Hillary Clinton durch ihre Parteiabschlussrede am Donnerstagabend störungsfrei verlaufen wird. Kommentar Seite 4
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