E-Mails für die Demokraten

Skandal über Benachteiligung des Parteilinken Sanders durch Parteispitze im Wahlkampf um US-Präsidentschaft

  • Michael Mathes, Philadelphia
  • Lesedauer: 3 Min.
Vor dem Auftakt des Demokraten-Parteitages zur triumphalen Nominierung Hillary Clintons als Kandidatin für die US-Präsidentschaft gab es erst einmal richtig Ärger.

Der Parteitag der US-Demokraten wird von einem E-Mail-Skandal überschattet: Einen Tag vor Beginn des Treffens, bei dem Hillary Clinton offiziell als Präsidentschaftskandidatin nominiert werden soll, kündigte Parteichefin Debbie Wasserman Schultz am Sonntag ihren Rücktritt an. Sie zog damit die Konsequenzen aus der Veröffentlichung interner E-Mails, die die ablehnende Haltung der Parteiführung gegenüber Clintons früheren Rivalen Bernie Sanders beweisen.

Für ihre Partei sei es »das Beste«, wenn sie den Vorsitz nach dem Parteitag in Philadelphia niederlege, erklärte Wasserman Schultz. In ihrer Rücktrittsankündigung bekräftigte sie ihre Unterstützung für Clinton, gegen die Sanders in den Vorwahlen unterlegen war. Clinton sei eine »Freundin, an die ich immer geglaubt habe, und die eine großartige Präsidentin sein wird«, erklärte Wasserman Schultz.

Die Parteiführung der Demokraten soll sich im Vorwahlkampf neutral verhalten. Am Freitag hatte die Enthüllungsplattform Wikileaks aber mehr als 19 000 E-Mails veröffentlicht, die Wasserman Schultz und weitere Mitglieder der Parteiführung als voreingenommen erscheinen ließen.

In einer E-Mail vom 21. Mai erklärte Wasserman Schultz die Kandidatur von Sanders für aussichtslos. In dem E-Mail-Wechsel ging es um Sanders’ Ankündigung, er wolle Wasserman Schultz nach seiner Wahl zum Präsidenten von ihrem Posten ablösen. »Das ist eine alberne Geschichte«, schrieb Wasserman Schultz. »Er wird nicht Präsident werden.«

Andere E-Mails legen den Schluss nahe, die Parteiführung habe Sanders in schlechtem Licht erscheinen lassen wollen. In einer E-Mail vom 5. Mai überlegt etwa der Finanzvorstand der Partei, Brad Marshall, in den konservativen Bundesstaaten Kentucky und West Virginia zu streuen, dass Sanders Atheist ist.

Sanders war als Außenseiter in das Nominierungsrennen gegen die Favoritin Clinton gestartet. Mit seinen Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit und Zähmung der Finanzmärkte hatte er rasch eine breite Anhängerschaft vor allem unter jungen linksgerichteten Wählern hinter sich versammelt.

Vor zwei Wochen hatte Sanders nach langem Zögern eine formale Wahlempfehlung für Clinton ausgesprochen. Beim Parteitag hofft die Ex-Außenministerin nun auf Unterstützung von ihrem früheren Widersacher. Die E-Mail-Affäre könnte die mühsam erreichte Einheit der Partei nun jedoch wieder zunichte machen. Am Sonntag gingen in Philadelphia bereits mehrere tausend Demonstranten auf die Straße, darunter viele Sanders-Anhänger.

Sanders selbst blieb jedoch bei seiner Unterstützung für Clinton: »Wir müssen Clinton wählen«, sagte er im Fernsehsender NBC. Sanders sollte am ersten Tag des Parteitags als einer der Hauptredner auftreten - neben First Lady Michelle Obama. Clinton soll dann am Dienstag nominiert werden und am Donnerstag ihre erste Rede als offizielle Präsidentschaftskandidatin halten. Clintons Wahlkampfmanager Robby Mook machte Russland für die Veröffentlichung der E-Mails verantwortlich. Die E-Mails seien im Auftrag der russischen Regierung aus der demokratischen Parteizentrale gestohlen worden - »um Donald Trump zu helfen«, sagte er im Sender ABC.

Interims-Parteichefin Donna Brazile bereitete die Partei bereits darauf vor, dass noch »viele tausend« E-Mails veröffentlicht werden könnten. Die Parteiführung müsse sich wohl noch »für eine Menge Sachen entschuldigen«, prophezeite sie. AFP

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