China-Town im Hunsrück

Auf einem früheren US-Militärareal sind bereits 150 Firmen aus dem Reich der Mitte präsent

  • Birgit Reichert, Hoppstädten
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein besonderer chinesischer Handelsplatz entsteht im Hunsrück (Rheinland-Pfalz): Mehr als 150 Firmen aus dem Reich der Mitte haben sich schon angesiedelt. Etliche weitere Büros sind in Planung.

Chinesische Glücksbringer hängen an den Haustüren. Auf den Klingelschildern stehen reihenweise Namen von Chinesen. Auf Schildern, Mülltonnen und Eingängen finden sich chinesische Schriftzeichen. Es ist kein Ort im Reich der Mitte, sondern ein Geschäfts- und Wohnviertel in Hopp-städten-Weiersbach im Hunsrücker Kreis Birkenfeld. Mehr als 150 chinesische Handelsfirmen haben sich in Gebäuden auf einem einstigen US-amerikanischen Militärgelände niedergelassen. Mitsamt Familien leben bereits gut 350 Chinesen im Viertel »Oak Garden« im Ortsteil Neubrücke.

»Jeden Tag kommen neue dazu«, sagt Jane Hou (35), die mit ihrem Mann Andreas Scholz (37) die Neubürger im International Commercial Center Neubrücke (ICCN) betreut. Über ihre GmbHs hätten die mittelständischen Unternehmen vor allem den deutschen, aber auch den europäischen Markt im Visier: »Wir haben einen großen Branchenmix«, erzählt Scholz. Es sei alles dabei: Spielwaren, Textilien, Lebensmittel, Mechanik, Medizintechnik. Und jede Firma handele in beide Richtungen.

Wie etwa Lin Li, Geschäftsführer der Firma Daresy Sagacity. Er exportiert Wasch- und Hygienematerial nach China - und importiert Waschmaschinen aus China nach Deutschland, Italien und Dänemark. Seit mehr als drei Jahren schon lebt er im »Oak Garden« mit seiner Frau und zwei Kindern in einem Reihenhaus. »Ich bin sehr gerne hier«, sagt der gebürtige Pekinger. Ihm gefalle die Nähe zur Natur: »Ich mag keine großen Städte.« Er liebe es, mit dem Wohnmobil durch Europa zu reisen. Und Deutschkurse hat er auch schon gemacht.

»Die Integration der Chinesen läuft gut«, sagt Scholz, Geschäftsführer der ICCN. Die rund 80 Kinder besuchten Kindergärten und Schulen in der Umgebung. »Sie lernen ganz schnell Deutsch. Nach einem Jahr sprechen sie schon Hunsrücker Dialekt.« Die Eltern gingen in deutsche Vereine, Deutsche kämen auch zu Clubs im »Oak Garden«: zum Beispiel in einen Tanzclub oder zum Tai Chi. Es gebe Feste zum Neujahrsfest und einmal im Jahr ein Kulturfestival. Die meisten der Chinesen wollten in der Region bleiben, sagt Scholz, der mit seiner Familie auch auf dem Gelände wohnt.

Hou und Scholz haben die 1994 von den US-Streitkräften aufgegebene Wohnsiedlung 2011 gekauft und für elf Millionen Euro saniert. Es sei bundesweit das erste und einzige Konversionsprojekt, das mit privatem Geld finanziert worden sei, sagt der Karlsruher. Auch ansonsten gebe es bundesweit keinen vergleichbaren Handelsplatz. Die Idee war, chinesischen Firmen die Niederlassung in Deutschland leichter zu machen. »Zur Kundenpflege ist es ein großer Vorteil, wenn sie vor Ort sind«, sagt Geschäftsfrau Hou. In China hat der ICCN vier Büros, über die er für Neubrücke wirbt. Hou und Scholz bieten ein ganzes Paket: Sie vermarkten nicht nur die Unterkünfte, sie begleiten die Chinesen auch bei Behördengängen und beim Einleben. »Wir holen sie auch am Flughafen ab.« Die Nachfrage ist groß. Die Wohnungen in den ersten 17 Gebäuden sind bereits alle verkauft. Gerade entstehen für acht Millionen Euro drei neue Gebäude mit insgesamt 105 Büros und Ausstellungsräumen für Firmen. »30 Prozent davon haben wir schon verkauft«, sagt Hou. Weitere 15 Gebäude sind bereits in Planung.

Für den Kreis Birkenfeld bedeute das Projekt direkte Investitionen in Millionenhöhe für Handwerker & Co, erklärt der Leiter der Stabsstelle Wirtschaftsförderung im Landkreis, Michael Dietz. Hinzu komme ein geschätzter direkter Umsatz von rund 160 000 Euro pro Monat mit den Ausgaben der Chinesen in der Region. Der Handelsplatz sei von zunehmender Bedeutung: Nicht nur für Chinesen, die auf den hiesigen Markt wollten, sondern auch für rheinland-pfälzische und deutsche Firmen, die Kontakte nach China suchten.

Die ländliche Lage im Kreis Birkenfeld sei für die Chinesen »optimal«, sagt Scholz. Mit dem Zug sei man in drei Stunden in Paris. Und über die Autobahn könne man in 45 Minuten den Hunsrück-Flughafen Hahn erreichen, in eineinhalb Stunden den Airport Frankfurt am Main. dpa/nd

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