Kindsmörder schweigt vor Gericht
Prozess zum Tod von Elias und Mohamed startete mit strengen Sicherheitsvorkehrungen
Potsdam. Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen hat in Potsdam der Prozess gegen den mutmaßlichen Kindermörder Silvio S. begonnen. Der Wachmann aus Niedergörsdorf hat laut Anklage im vergangenen Jahr den sechsjährigen Elias aus Potsdam und den vierjährigen Flüchtlingsjungen Mohamed aus Berlin entführt und umgebracht. An Mohamed soll Silvio S. sich sexuell vergangen haben, bei Elias soll er es versucht haben. Der 33-Jährige äußerte sich am Dienstag vor dem Landgericht Potsdam zunächst nicht zu den Vorwürfen.
Nach Angaben des Gerichts ist im Fall einer Verurteilung nach jetzigem Stand keine Unterbringung des Mannes in einer psychiatrischen Klinik zu erwarten. Er soll nach Erkenntnissen der Ermittler die sexuellen Übergriffe vor den Verbrechen an einer Puppe geübt haben. Ihm droht lebenslange Haft.
Der Vorsitzende Richter appellierte zu Prozessbeginn an die Zuschauer im Saal: »Ich bitte, von Zwischenrufen und Kommentaren, insbesondere beleidigenden, Abstand zu nehmen.«
Der 33-jährige Silvio S. hat die beiden Jungen der Anklage zufolge getötet, als sie begannen zu weinen und laut zu schreien. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft wollte er verhindern, dass die Entführungen und Übergriffe bekannt werden. Die Mutter des Angeklagten hatte ihren Sohn später auf Fahndungsbildern erkannt und die Polizei gerufen. Zum Prozessauftakt scheiterte die Verteidigung von Silvio S. mit dem Versuch, Zuschauer und Medien von dem Prozess ausschließen zu lassen. Einen entsprechenden Antrag lehnte das Gericht ab. Auch ein Antrag der Nebenklage, wonach die Anklageschrift nicht öffentlich vorgetragen werden sollte, wurde abgelehnt.
Elias war im Juli 2015 von einem Spielplatz in Potsdam verschwunden. Das Flüchtlingskind Mohamed wurde Anfang Oktober vor dem Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales entführt. Die Ermittler hatten Silvio S. Ende Oktober gefasst. Wegen zahlreicher Hasskommentare und ernstzunehmender Drohungen im Internet wurden die Sicherheitsvorkehrungen beim Prozess in Potsdam deutlich erhöht.
Die Mutter des getöteten Elias hat ihren Sohn nach eigenen Worten wiederholt vor Erwachsenen mit bösen Absichten gewarnt. »Ich habe ihm erklärt, dass es sein kann, dass jemand ihn austricksen und ihm weh tun will«, sagte die 26-Jährige vor dem Landgericht. Ihr sechsjähriger Sohn war im Juli 2015 von einem Spielplatz in Potsdam verschwunden, wo ihn seine Mutter zuvor vom Fenster aus im Blick hatte. Die schwarz gekleidete Frau erinnerte sich, wie sie damals zunächst verzweifelt den Wohnblock absuche und schließlich den Notruf wählte. »Ich habe mich erst nicht ernst genommen gefühlt«, sagte sie. Die Polizei habe zwei Streifenwagen geschickt. Später halfen unzählige Anwohner tagelang bei der Suche nach Elias.
Auch die Mutter des Flüchtlingsjungen Mohamed nahm zu Prozessbeginn im Gerichtssaal Platz. dpa/nd
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