Der erste Olympiasieger

Wolfgang Behrendt wird 80, 60 Jahre nach seinem Premierengold für die DDR

Ein kleiner Berliner Jung’, gerade mal 20 Jahre alt, schrieb am 1. Dezember 1956 in Melbourne Geschichte. Im olympischen Boxfinale des Bantamgewichts bezwang er den Südkoreaner Song Soon Chon und stieg zum ersten Olympiasieger des DDR-Sports auf: Wolfgang Behrendt begeht an diesem Dienstag seinen 80. Geburtstag. »Damals habe ich nicht gesagt, ich muss unbedingt Gold gewinnen, weil das mal eine politische Bedeutung haben würde. Ich wollte gewinnen, ich war ehrgeizig«, schildert er heute im Rückblick seinen Triumph. Dabei startete er 1956 in der gesamtdeutschen Olympiamannschaft.

Viermal wurde Behrendt DDR-Meister, 1955 EM-Bronzemedaillengewinner - Olympia aber brachte ihm fortan kein Glück mehr. Die Spiele 1960 verpasste er, weil er die Ausscheidungskämpfe verlor. Daraufhin beendete er seine Karriere, kehrte 1964 aber überraschend noch einmal in den Boxring zurück. »Ich hatte mich zum Comeback überreden lassen. Es ging um die Mehrheit von DDR-Sportlern in der gesamtdeutschen Olympiamannschaft für Tokio«, erinnert er sich. »Das Comeback war aber ein Fehler, weil mir nach vier Jahren Abstinenz die Wettkampfpraxis fehlte.« Er verlor im Ausscheidungskampf und beendete endgültig seine Laufbahn nach 201 Kämpfen mit 195 Siegen und sechs Niederlagen.

Er wandte sich schließlich seiner großen Liebe zu, der Sportfotografie. 26 Jahre lang war er beim »neuen deutschland« als Sportfotograf tätig, berichtete von acht Olympischen Spielen und erwarb nationale und internationale Preise. Nach der Wende wurde er mit gerade mal 55 Jahren entlassen.

Auch in der Folgezeit erlebte er die Schattenseiten des politischen Umbruchs: Nach 20 Jahren persönlicher Mitgliedschaft im NOK der DDR und 16 Jahren in dem des vereinten Deutschlands wurde er 2006 aussortiert. Mit der Vereinigung von NOK und DSB zum Deutschen Olympischen Sportbund brauchte man den ersten Olympiasieger der DDR offenbar nicht mehr. »Unsere Erfahrungen im Sport waren nicht mehr gefragt«, sagt er enttäuscht.

Da Behrendts Frau Monika vor wenigen Tagen verstarb, wird er seinen 80. Geburtstag nicht feiern. Eine Gratulation ist trotz allem angebracht.

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