»Besorgte Bürger« pöbeln
Angespannte Stimmung bei Veranstaltung zu geplanter Asylunterkunft in Altglienicke
Der Bezirksbürgermeister von Treptow-Köpenick dürfte in seiner Amtszeit schon leichtere Termine gehabt haben. Am Donnerstagabend stellte sich Oliver Igel (SPD) in der Pfarrkirche Altglienicke aufgebrachten Bürgern. Dort fand die erste von zwei Informationsveranstaltungen zur geplanten Asylbewerberunterkunft im gleichnamigen Ortsteil statt.
Seit Wochen regt sich gegen die Unterkunft für 500 Geflüchtete der Protest einer »Bürgerinitiative Bahnweg/Molchstraße«. Diese wird auch von der Abgeordneten Katrin Vogel unterstützt, die für die CDU im Berliner Abgeordnetenhaus sitzt. An Kundgebungen der »Bürgerinitiative« in den vergangenen Wochen nahmen immer wieder auch Neonazis teil (»nd« berichtete). Vor allem Bezirksbürgermeister Oliver Igel wird von der Bürgerinitiative als angeblich Verantwortlicher für die Errichtung der Asylbewerberunterkunft als Feinbild aufgebaut.
Mehr als 10 000 persönliche Einladungen zu der Veranstaltung wurden im Vorfeld an die Anwohner im Umfeld der Unterkunft verschickt. Damit sollte unterbunden werden, dass rechtsextreme Besucher von außerhalb die Stimmung unnötig anheizen. Ein Modus, wie er vom Bezirk Treptow-Köpenick seit Jahren für solche Veranstaltungen praktiziert wird. Es ist eine der Lehren, die Bezirke und Senat nach einer ähnlichen Versammlung im Sommer 2013 in Hellersdorf gezogen haben. Damals hatten Neonazis die Situation eskalieren lassen, was zu jener Zeit zu einer bundesweiten Berichterstattung über Hellersdorf führte.
Die ganz große Eskalation blieb an diesem Donnerstag in Altglienicke zwar aus, Probleme gab es dennoch genug. Unter den geschätzt 200 anwesenden Anwohnern, die der Einladung gefolgt waren, befanden sich auch 30 Anhänger der »Bürgerinitiative Bahnweg/Molchstraße«. Bereits vor Beginn der Veranstaltung stellten sich deren Initiator Rüdiger Schreiber und seine Mitstreiter vor die Kirche und hielten Transparente hoch. Bezirksbürgermeister Oliver Igel beschimpfen sie bei seiner Ankunft als »Lügner«.
Auch auf der Veranstaltung war die Atmosphäre angespannt, immer wieder kam es zu Zwischenrufen und Pöbeleien, mit Pfiffen und Johlen wurde dem Podium ins Wort gefallen. Auf der Bühne versuchten neben Igel auch Sozialstadtrat Gernot Klemm (LINKE), der ehemalige Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU), der inzwischen im »Berliner Beirat für Zusammenhalt« mitwirkt, sowie Vertreter von Polizei und des Landesamtes für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) die aufgeladene Diskussion zu versachlichen. In seinem Eingangsstatement verteidigte Igel den Standort. Es gehe darum, die als Unterkunft genutzten Turnhallen dadurch im Bezirk freizubekommen.
In den Fragen kamen viele Vorurteile gegen Geflüchtete zum Tragen: Von steigender Kriminalität und einem erhöhten Gesundheitsrisiko war die Rede. Der Abschnittsleiter der Polizei, Lars Neumann, beschwichtigte, es gebe »keine Festnahmezahlen, die gestiegene Kriminalität rund um Flüchtlingsheime belegen würden«.
Bezirksstadtrat Klemm sagte, gerade aus Gesundheitsaspekten müsse die menschenunwürdige Unterbringung in Turnhallen so schnell wie möglich beendet werden. Zur Forderung, Abstimmungen über Standorte durchzuführen, erwiderte Igel: »Dann könnten wir nirgends bauen.« Schließlich würden dann bei jeder Veranstaltung Anwohner Gründe gegen solche Unterkünfte äußern.
Etliche Redner nutzten den Raum, um wie die Bürgerinitiative Igel zu attackieren. Einige beschwerten sich über nicht beantwortete Briefe oder Igels Statements zu den Bürgerprotesten. Auch die als Gast erschienene CDU-Abgeordnete Vogel moserte aus der vorletzten Reihe. Auf der Veranstaltung gab es auch jene, die mit den schimpfenden Heimgegnern nichts gemein hatten, jedoch nicht so dominant auftraten. Nach Unterstützungsmöglichkeiten erkundigte sich indes nur ein einziger Fragesteller.
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