LINKE: Koalition kämpft gegen die Energiewende

Bund und Länder einigen sich in Nachtsitzung auf Grundzüge der EEG-Reform / Bulling-Schröter: Ausbau der Windkraft gefährdet / Grüne: Beschlüsse sind »ein Bremsklotz« / BUND: Klimaschutz werde »ad acta gelegt«

  • Lesedauer: 4 Min.
Die Bundesregierung will den Ausbau der erneubaren Energien radikal verändern. Doch die geplante Ökostromreform werde zum Bremsklotz, der auch die Beschlüsse der Klimakonferenz von Paris gefährde, warnt die Opposition.

Berlin. Das Ringen um den Fortgang der Energiewende geht auch nach erneuten stundenlangen Beratungen von Bundesregierung und Ministerpräsidenten weiter. In der Nacht zum Mittwoch kamen die Teilnehmer im Kanzleramt »noch zu keiner präzisen endgültigen Einigung« über die Reform des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG), wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte. »Die größte Wegstrecke« sei aber zurückgelegt. Grüne, LINKE und Umweltschützer kritisierten die Vereinbarungen der Runde scharf.

Über den Gesetzentwurf von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) für die nächste Reform des EEG wird seit Monaten gestritten. Er soll den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien regeln. Vorgesehen ist unter anderem, dass Ökostrom aus größeren Windkraft- und Solaranlagen nur noch gefördert wird, wenn deren Betreiber Erfolg bei einer vorherigen Ausschreibung haben; die festen Vergütungssätze fallen weg. Zudem sollen im Jahr 2025 erneuerbare Energien maximal 45 Prozent der Stromerzeugung ausmachen.

Wie Merkel nach den Beratungen im Kanzleramt sagte, bekannten sich alle Beteiligten zu diesem übergreifenden Ausbauziel. Laut Gabriel ist auch das Ausschreibungsmodell nun festgezurrt - beim Solarstrom sollen Kleinanlagen bis zu 750 Kilowatt Leistung von dem Ausschreibungszwang befreit werden. Ausgeschrieben werden den Plänen zufolge 600 statt zuvor angedachter 400 Megawatt pro Jahr. Bei Offshore-Windparks nannte Merkel ein Ausbauziel von 15 Gigawatt bis 2030. Dies kommt den Interessen der norddeutschen Küstenländer entgegen.

Für Streit hatte zuletzt insbesondere die geplante Deckelung des weiteren Ausbaus von Windkraft an Land gesorgt. Hier sprach Gabriel nach dem Spitzentreffen von einem »Einigungskorridor« von insgesamt 2,8 Gigawatt - zuvor sollten es lediglich 2,5 Gigawatt sein. Um Probleme mit den Stromübertragungsnetzen zu vermeiden, gibt es eine Extra-Deckelung für Norddeutschland: Dort sollen jährlich nur noch so viele neue Windkraftanlagen entstehen, dass der Zubau dem Durchschnitt der vorangegangenen drei Jahre in der Region entspricht.

Keine Einigung erzielte die Runde hingegen beim weiteren Umgang mit dem Energieträger Biomasse. Hier habe Bayern noch »Gesprächsbedarf«, sagte Gabriel. Er sprach zudem davon, dass »wir noch eine Runde brauchen« für Verständigungen zum Ausbau der Stromnetze. Dies seien »die einzigen beiden Punkte«, wo noch Beratungsbedarf bestehe. »Ich bin mir aber sicher, dass wir das auch hinbekommen werden.« Er gehe von einem Kabinettsbeschluss am kommenden Mittwoch aus. Die Gesetzesnovelle soll zum Jahreswechsel in Kraft treten.

Auf Unverständnis stießen die Beschlüsse bei, LINKEN Grünen und Umweltschützern. »Merkel und Gabriel sollten sich schämen, der Zukunftsbranche der Erneuerbaren Energien dermaßen ins Gesicht zu schlagen und hunderttausende Arbeitsplätze zu gefährden. Mit den Versprechungen von Paris hat dies nichts mehr zu tun«, warnt die LINKEN-Klimaexpertin Eva Bulling-Schröter. Merkel und Gabriel seien »Geisterfahrer der Energiewende«. Nachdem bereits die Photovoltaik und Biomasse zurückgestutzt wurden, sei nun der Ausbau der Windkraft gefährdet. Die Bundesregierung betreibe Gabriel betreibe eine De-Industrialisierungspolitik im Erneuerbare-Energien-Bereich, warnte Bulling-Schröter. Da die Große Koalition den Entwurf wohl durchwinken werde, sei nun Druck auf der Straße notwendig.

Grünen-Chefin Simone Peter sagte auf n-tv, zwar hätten die Ministerpräsidenten »einige Verbesserungen« durchgesetzt, doch bleibe die EEG-Reform »ein Bremsklotz«. Die anvisierte Begrenzung des Windkraftausbaus an Land auf 2,8 Gigawatt gefährde die deutschen Klimaschutzziele.

Der Vorsitzende der Umweltorganisation BUND, Hubert Weiger, beklagte ebenfalls eine »rückwärtsgewandte Politik des Ausbremsens der Energiewende«. Dies gehe zulasten der Bevölkerung und gefährde Arbeitsplätze in der »innovativen Branche« der erneuerbaren Energien. Zudem werde der Klimaschutz »ad acta gelegt«.

Auch das Windenergie-Netzwerk Mecklenburg-Vorpommern blickt nach dem Treffen von Bund und Ländern mit Sorge auf die weitere Entwicklung der Windkraftbranche im Nordosten. »Die erneuerbaren Energien dürfen jetzt nicht auf halbem Weg ausgebremst und so gedeckelt werden, dass die industrielle Entwicklung nicht mehr möglich ist«, sagte der Vorsitzende des Netzwerks, Andree Iffländer, am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. Vor dem Hintergrund des Pariser Klimaschutzabkommens sei auch allen klar, dass die Anstrengungen deutlich beschleunigt werden müssen. Der beschlossene Ausbaukorridor von etwa 40 bis 45 Prozent aus erneubaren Energien bis 2025 führe nach Ansicht Iffländers aber zu einer Mengenbegrenzung, mit der die Klimaschutzziele verfehlt werden. Auch wäre der »Markt der Zukunft« gefährdet. »Damit wird es für die Windkraft-Unternehmen noch schwieriger.« Es sei unerfreulich, wenn Kompromisse gefunden werden, deren Niveau noch niedriger sei als erwartet.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) warnte, durch die Beschlüsse könnten bereits geplante Windkraftporjekte nun nicht mehr realisiert werden. »Der Beschluss würgt die Energiewende ab. 600 MegaWatt können in Norddeutschland und Hessen nicht gebaut werden, trotz jahrelangem Planungsvorlauf. Umgekehrt sind Planungen in Süddeutschland nicht so weit fortgeschritten, um diesen Ausfall zu kompensieren. Ob das Ziel von 40-45 Prozent Erneuerbarem Strom bis 2025 erreicht wird, steht damit in Frage«, so DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner. Agenturen/nd

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