Prozess um Recht auf Stolpersteine
Nachfahren von NS-Opfern klagen gegen Stadt München
München. Die Stolpersteine zum Gedenken an Nazi-Opfer werden in München zu einem Fall für die Justiz: Am Dienstag startet ein Prozess vor dem Verwaltungsgericht. Drei Männer wollen durchsetzen, dass sie mit Stolpersteinen an ihre von den Nationalsozialisten ermordeten Vorfahren erinnern dürfen. Die Stadt München hat sich offiziell gegen die Verlegung von Stolpersteinen entschieden. Begründung: Die Namen von Nazi-Opfern sollen nicht mit Füßen getreten werden. Stattdessen soll es andere Formen des Gedenkens geben - etwa Stelen.
Die Kläger wenden sich gegen den Bescheid, der das Verlegen der goldfarbenen Gedenksteine auf öffentlichen Straßen ablehnt. Nach Angaben ihres Anwalt Hannes Hartung ist es das erste Mal, dass sich ein juristisches Verfahren mit dem Gedenken auf öffentlichen Straßen befasst.
Hartung will nach eigenen Angaben dem Gericht ein Gutachten vorlegen, wonach die Verlegung von Stolpersteinen zwar eine erlaubnispflichtige Sondernutzung darstellt, das Recht auf diese Sondernutzung sich aber aus der im Grundgesetz festgelegten Religions-, Kunst- und Meinungsfreiheit ergibt: »Das postmortale Persönlichkeitsrecht der Opfer der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft wurzelt in der Menschenwürde.« Außerdem dürfe die Art des Gedenkens nicht vorgeschrieben werden. »Die Ungleichbehandlung von Stelen und Stolpersteinen im Hinblick auf ihre Erlaubnisfähigkeit verstößt gegen den allgemeinen Gleichheitssatz.«
Nach Angaben der Initiative Stolpersteine für München gibt es europaweit rund 55 000 Steine in etwa 1300 Städten, vor allem in Deutschland. In Bayern haben sich mehr als 70 Kommunen entschieden, Stolpersteine zu genehmigen. Die Familien der Opfer sind gespalten - während die einen Stolpersteine auf der Straße als Demütigung empfinden, sehen andere darin eine Chance, an die Schicksale der Getöteten zu erinnern. dpa/nd
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