Engelchen und Teufelchen
»Gutes böses Geld« in der Kunsthalle Baden-Baden
Gold brennt nicht, aber Kohle. Und davon wurde im Baden-Badener Casino schon eine ganze Menge verheizt. Eine gute Idee also von Alicja Kwade, vor einem Kamin der Spielhalle einen Stapel vergoldeter Briketts abzustellen. Macht sich die Installation der Berlinerin doch die doppelte Bedeutung von Kohle ebenso geschickt zu Nutze wie die Aura der spätklassizistischen Prunkräume.
Deutschlands traditionsreichster Zockertempel ist nun die Nebenstelle einer viel beachteten Themenschau rund um den Mammon. Unter dem Motto »Gutes böses Geld« schreibt die benachbarte Kunsthalle Baden-Baden eine »Bildgeschichte der Ökonomie« vom Mittelalter bis in die Gegenwart. Spätestens seit der Finanzkrise ist in der jüngeren Kunst ein neues Interesse an Wirtschaftsthemen erwacht. Mit seiner Schau unternimmt Hausherr Johan Holten auch den überfälligen Versuch, diese Entwicklungen museal zu würdigen.
Aber der Reihe nach: Moneten fanden just zu dem Zeitpunkt Eingang in die europäische Malerei, als im Toskanastädtchen Siena die ersten Bankhäuser ihre Tore öffneten. Die etwas ungelenk bemalten Deckel zweier altitalienischer Rechnungsbücher gewähren frühe Einblicke in die Welt des bürgerlichen Handels: aufgeklappte Bilanzen, Münzen, Geldbeutel - Motive, die abgewandelt und variiert auf dem ganzen Rundgang wiederkehren werden. Dabei gelingt es, Beispiele aus unterschiedlichsten Epochen so in Stellung zu bringen, dass sie sich gegenseitig kommentieren. Hanne Darbovens Arbeit »Soll und Haben« umringt die frühe Buchhaltungsmalerei mit Aufzeichnungen ganz anderer Art: Hunderte tabellarische Blätter aus einer alten Kaufmannskladde, gefüllt mit kryptischen Registraturen, die das ökonomische Ordnungsdenken nach Heller und Pfennig ad absurdum führen.
Während Sienas Banker ein pragmatisch-nüchternes Alltagsverhältnis zu Zahlungsmitteln an den Tag legten, wird Geld für die allegorisch-religiöse Malerei von Renaissance und Barock zum verführerischen Teufelszeug in den Händen fratzenhaft verzeichneter Zinswucherer. Etwa bei dem Flamen Marinus van Reymerwaele. Dessen Landsmann Theodoor Rombouts malt seinem Berseker-Jesus gar eine vielschwänzige Knute in die Hand, um die Wechslerzunft aus dem Tempel zu peitschen. Finanzdienstleister haben also offenbar nicht erst seit der Lehman-Pleite einen schlechten Ruf. Wieso, weiß auch Timm Ulrichs. In einer Aktion von 1968 demonstriert der Konzeptkünstler, wie man durch mehrmaligen Währungsumtausch bei der Bank ruckzuck 100 Mark durchbringen kann.
Als zweite Außenstelle schließt sich Baden-Badens Stadtmuseum der Schau an. Dort werden in einer kulturhistorischen Spurensuche die Wurzeln des Familienspiels Monopoly freigelegt. Verfolgte dessen erste Fassung doch ein komplett anderes wirtschaftsethisches Ziel: vor Monopolbildung auf dem Immobilienmarkt wurde gewarnt. Hintergrund von »The Landlord’s Game« von 1904 hieß war die große Raumnot an der Ostküste, die von Geschäftemachern gnadenlos ausgenutzt wurde. Die heutige Variante dagegen erzieht zur Haifischnatur. Sieger ist immer der Wucherer mit der Schlossallee. Im Ur-Monopoly indes gab es noch Strategien und Regeln gegen die Gier. Man sollte Wohnungspolitiker daran erinnern.
Apropos Spiel: Im Casino verweist eine Installation von Liu Jianhua darauf, wie sich die Eigendynamik des neoliberalen Wirtschaftslebens vom Realitätsbezug löst und zur abstrakten Spekulationswette wird. Aus kindergartenbunten Jetons errichtet der Künstler ein Modell des Investorenmolochs Shanghai. Erfrischend sind besonders jene Arbeiten in der Kunsthalle, die mit subversiver Praxis die Effizienzmaschinerie des Geldsystems ins Stottern bringen. Christin Lahr zum Beispiel ärgert den Finanzminister, indem sie ihm tagaus, tagein 1 Cent überweist. In die Betreffzeile des Bankformulars schreibt sie fortlaufend Sätze aus Karl Marx’ »Kapital«. Gewitzter und mutiger noch ist, was sich der brasilianische Konzeptualist Cildo Meireles während der Militärdiktatur einfallen ließ, um die Zensur auszutricksen. Gedruckt auf Banknoten, machte er die Ermordung von Regimekritikern publik. Plötzlich wurde Geld, das Symbol der Macht, zur Stimme der Rechtlosen.
Informativ aufbereitet und abwechslungsreich inszeniert ist all das ohne Zweifel, trotzdem geht die Schau nicht so weit, wie sie gehen könnte. Quintessenz soll sein, dass im guten bösen Geld Engelchen und Teufelchen zugleich schlummern, sprich: Gut oder böse ist immer nur das, was Menschen mit ihren Geldmitteln anstellen. Formal ein korrekter Freispruch, doch der Glanz des moralisch unschuldigen Geldes macht die Augen blind für die soziale Ungleichheit in Gelddingen. Dieser nämlich nähert sich die Schau im Rentnerparadies nur aus historischer Distanz: etwa mit Dokumentationen zur Großen Depression in den 20er Jahren. An den Baden-Badener Geldquellen von heute hingegen sonnt man sich lieber im Glanz typischer Investorenkunst. So Damien Hirsts Schmetterlingsfriedhof auf Blattgold. Edelkitsch und zugleich eine Todesallegorie des Geldes. Aber der Kapitalismus hatte noch nie ein Problem mit Kritik, vorausgesetzt, sie taugt als Wertanlage.
Gutes böses Geld. Eine Bildgeschichte der Ökonomie, Kunsthalle Baden-Baden, bis 19. Juni.
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