Privatarmeen für heikle Einsätze

Russisches Parlament soll noch vor der Sommerpause entscheiden

  • Irina Wolkowa, Moskau
  • Lesedauer: 3 Min.
Der erste Versuch ging daneben. Noch bevor der Entwurf ins Plenum kam, senkten die zuständigen Ausschüsse der Duma den Daumen: Es sei nicht die richtige Zeit für ein derartiges Vorhaben.

Noch vor der Sommerpause soll im russischen Parlament eine äußerst brisante Frage entschieden werden, zu der Ende 2015 ein überarbeiteter Entwurf vorgelegt wurde: die Zulassung von Privatarmeen. Sie sollen dort zum Einsatz kommen, wo es mit der Entsendung regulärer Truppen politisch wie juristisch Probleme geben könnte.

In Syrien etwa. Mitarbeiter einer St. Petersburger Sicherheitsfirma eilten dem bedrängten syrischen Präsidenten Baschar al-Assad schon 2013 zur Hilfe. Hartnäckig halten sich Gerichte, wonach die Söldner als Freiwillige getarnt - auch auf der Krim und in der Ostukraine mitmischten.

Das Unternehmen gehört einem gewissen Dmitri Utkin, Oberstleutnant der Reserve und in der harten Schule des Militärgeheimdienstes GRU gestählt. Sein Kampfname: Wagner. Utkin, inzwischen 46, ist ein bekennender Hitler-Verehrer und teilt auch die musikalischen Vorlieben des Führers. Doch Söldnertum ist auch in Russland verboten. Ruhmlos endete die Syrien-Mission der Wagner-Truppe 2013 daher nach nur vier Wochen. Zuhause wartete bereits der Haftrichter.

Das Reizwort »Privatarmeen« strichen die Verfasser - eine Gruppe von Abgeordneten um Gennadi Nosowko, der mit Mandat der Mitte-Links-Partei »Gerechtes Russland« in der Duma sitzt. In der neuen Fassung ist von »nichtstaatlichen paramilitärischen Organisationen« die Rede. Vom Staat lizenziert und streng kontrolliert sollen sie für diesen, aber auch für »natürliche und juristische Personen militärische Dienstleistungen erbringen«. Ziel sei der Schutz russischer politischer und wirtschaftlicher Interessen weltweit. Vor allem im Fernen Osten und in der Arktis. Dort lagern riesige Öl- und Gasvorkommen, auf die neben Russland auch andere Polanrainer Anspruch erheben.

Noch, so Experten aus Verteidigungs- und Innenministerium, gäbe es »Kollisionen mit geltendem russischen Recht«. Auch müssten bei Auslandseinsätzen militärischer Dienstleister mit den jeweiligen Regierungen völkerrechtlich verbindliche Verträge abgeschlossen werden.

Zwar gibt es laut Innenministerium derzeit in Russland bereits 60 000 private Sicherheitsfirmen mit insgesamt rund 700 000 Beschäftigten. Doch deren Kompetenzen sind sehr überschaubar und beschränken sich im Wesentlichen auf Objekt- und Personenschutz. Tausende hoch qualifizierte Soldaten mit realer Kampferfahrung würden sich »bei der Bewachung von Büros den Hosenboden durchsitzen«, klagt daher Anatoli Zyganok, Leiter des Zentrums für militärische Prognosen, und drängt auf Tempo bei der neuen Regelung.

Durch sie würden eine halbe Million Arbeitsplätze geschaffen, glaubt auch Generaloberst Leonid Iwaschow, Präsident der Akademie für geopolitische Probleme. Die Denkfabrik steht dem Generalstab nahe. Offiziere kämen wieder in Sold und Brot, die nach diversen Reformen demobilisiert wurden. Angelockt von den Verdienstmöglichkeiten würden sie derzeit eher ins Ausland abwandern und könnten dort fremde Interessen verteidigen, wie die Autoren um Nosowko befürchten.

Experten wie Zyganok warnen, Russland dürfe den Markt auf keinen Fall dem Westen überlassen. Weltweit, so der Politologe Alexander Konowalow, liege der Umsatz privater Sicherheitsfirmen derzeit bei über 100 Milliarden US-Dollar. Das große Rad würden US-Firmen drehen. Blackwater - berüchtigt durch Massaker im Irak-Krieg und dadurch zur Namensänderung gezwungen - habe dank Staatsaufträgen seinen Umsatz vertausendfacht. Mehrere Hundert Millionen Dollar seien auch für russische Unternehmen drin.

Zwar hatte Präsident Wladimir Putin schon 2014 Unterstützung signalisiert. Bremser sind offenbar die Geheimdienste. Sie hätten Angst, so die regierungsnahe »Iswestija«, Privatarmeen könnten eines Tages auf eigene Faust Wasser holen gehen. Das Gewaltmonopol müsse beim Staat bleiben.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.