Zank um künftigen Veranstaltungsort

Eurovision Song Contest

  • Lesedauer: 3 Min.

Nach dem Sieg der Sängerin Jamala beim Eurovision Song Contest (ESC) in Stockholm ist in ihrem Heimatland Ukraine eine Debatte um den Austragungsort für die Show 2017 entbrannt. »Kiew ist bereit für die Durchführung. Diskussionen zu anderen Städten haben keine Grundlage, da die Hauptstadt der am besten vorbereitete Ort für solch große Veranstaltungen ist«, sagte Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko.

Ein möglicher Ort wäre das Olympiastadion, das zur Fußball-Europameisterschaft 2012 komplett erneuert wurde. Die Arena fasst bei Sportereignissen knapp 70 000 Zuschauer. Kiew war bereits 2005 ESC-Gastgeber, damals fand der Wettbewerb im Sportpalast statt. Jedoch melden auch die Bürgermeister der Großstädte Lwiw (Lemberg), Dnipropetrowsk und der Hafenstadt Odessa Ansprüche auf den ESC an. Bürgermeister Gennadi Truchanow aus Odessa schrieb auf seiner Facebook-Seite: »Unser Odessa wäre dieses prestigereichen Wettbewerbs würdig - eine multinationale, schöne, europäische Stadt mit einer reichen Geschichte und kulturellen Traditionen!« Stadtoberhaupt Andrej Sadowy aus Lwiw führte als Argument an, dass die Stadt bereits ein Ort der Fußball-EM und der Schachweltmeisterschaft gewesen sei.

Vorher wurde - weniger realistisch - bereits die von Russland 2014 annektierte Schwarzmeerhalbinsel Krim ins Spiel gebracht - »nach einer Rückeroberung durch die ukrainische Armee«. Wann die Regierung in Kiew eine Entscheidung über den ESC-Ort trifft, ist unklar. Dass Jamala gewinnen würde, war durch das neue Abstimmungsreglement lange nicht absehbar. In diesem Jahr wurden zuerst die Punkte der Jurys verlesen. Dort lag die Australierin Dami Im weit vorne. Doch bei den nun erstmals getrennt benannten Punkten des Publikums schnitt die Australierin bei Weitem nicht so gut ab. Jamala wurde dagegen hinter dem beim Publikum beliebtesten Russen Sergey Lazarev erneut Zweite, im Gesamtbild reichte dies knapp für den Sieg vor Australien und Russland. Das umstrittene Gewinnerlied »1944« ist kein fröhlich-seichter Popsong, wie er oft in diesem Wettbewerb zu hören ist, sondern eine ungewöhnlich klagende Nummer, obwohl der Text bei den ESC-Veranstaltern als unpolitisch eingestuft wurde. Jamala besang am Beispiel ihrer Urgroßmutter die Deportation der Krimtataren unter Josef Stalin.

Während Jamala für ihr Land einen Triumph feiern konnte, fuhr die Deutsche Jamie-Lee Kriewitz eine Pleite ein. Schon im vergangenen Jahr gab es für Deutschland den letzten Platz. Die nun startende 18-Jährige erhielt von den Juroren nur ein Punkt aus Georgien. Dazu läpperten sich beim Publikum lediglich noch acht Punkte aus der Schweiz und zwei aus Österreich. Dank der AfD wissen wir nun auch, wer schuld ist am schlechten Abschneiden von Jamie-Lee: Kanzlerin Angela Merkel und die etablierten Parteien. »Letzter Platz für Deutschland beim eurovision song contest Dank Chaos-Politik gibt es nun nicht mal mehr Sympathiepunkte für uns«, twitterte der bayerische AfD-Landesverband am Sonntag mit überaus libertärer Interpunktion und Rechtschreibung.

Bei der ARD muss man sich nun der Frage stellen, welche Lehren sieaus der erneuten Pleite ziehen wird. Der Sender hatte in den vergangenen Jahren immer wieder den Vorentscheid verändert. Agenturen/nd Kommentar S.4

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