Vorübergehend Kohle-Ende im Gelände

Hunderte Klimaaktivisten besetzen friedlich Vattenfall-Tagebau in Brandenburg / Proteste weltweit

  • Lesedauer: 3 Min.
Früher war Castor-Protest, heute ist »Ende Gelände«: Über 1000 Kohlegegner haben am Freitagnachmittag den Braunkohletagebau Welzow-Süd besetzt.

Berlin. »Ich kann weit und breit keinen Kohlebagger sehen, der noch in Betrieb wäre«, jubelte schon am frühen Freitagnachmittag eine Klimaaktivistin: Mehr als 1000 Kohlegegner haben teils in weißen Ganzkörperanzügen den Braunkohletagebau Welzow-Süd in Brandenburg besetzt. Die Aktion hielt zu Redaktionsschluss noch an, Aktivisten bereiteten sich darauf vor, die Nacht in der Grube zu verbringen. Die drei Blockadegruppen, so genannte »Finger«, verteilten sich im Laufe des Nachmittags auf dem Gelände. Klimaschützer besetzten außerdem die Transportbahnen zu den Kohlekraftwerken Jänschwalde und Schwarze Pumpe. Einzelne Umweltschützer ketteten sich an die Gleise.

Der Energiekonzern Vattenfall setzte zunächst auf Deeskalation. »Wir werden da nicht eingreifen«, sagte Konzernsprecher Thoralf Schirmer dem »nd«, wenn jedoch die Produktionssicherheit gefährdet sei, »erwarten wir, dass die Polizei eingreift«. Die Energieversorgung könne Vattenfall trotz ausgesetzter Kohleförderung etwa einen Tag aufrecht erhalten. Eine Polizeisprecherin sagte, die Lage werde aus der Luft beobachtet und die rechtliche Lage geprüft, man wolle aber die Verhältnismäßigkeit wahren.

Die Organisatoren von »Ende Gelände« zogen am späten Nachmittag ein erstes positives Zwischenfazit. »Normalerweise wird heute gearbeitet«, sagte Bündnissprecherin Ines Neumann dem »nd«. »Indem wir im Vorfeld der Aktion Druck aufgebaut haben und indem wir in die Grube eingedrungen sind, sind wir für die Stilllegung des Kohleabbaus verantwortlich.«

Im Vorfeld des Protests hatte ein kommunales Bündnis auf rund 3000 Plakaten in der Region zu »Recht und Respekt« gemahnt. Die Bürger duldeten keine Gewalt, teilte der Verein »Pro Lausitzer Braunkohle« mit. Ein Sprecher des Klimacamps sagte gegenüber »nd«, die Aktivisten schlössen Gewalt aus. Dies sei deutlich in einem Aktionskonsens festgehalten. »Indem man das Wort Gewalt von der ProKohle-Seite ins Spiel bringt, versucht man, Ängste zu schüren. Wenn Gewalt ausgeübt wird, hat das nichts mit uns zu tun.«

CDU-Politiker in der Region warnten vor einem »übereilten Ausstieg aus der Braunkohle«. Die Region brauche Zeit für einen Strukturwandel, hieß es in einer Erklärung. Die Besetzung der Aktivisten richte sich »nicht nur gegen eine Energiesparte«, sondern auch »gegen die Lebensgrundlage« der Bewohner und das industrielle Rückgrat der Region.

Die Proteste finden nicht nur in Brandenburg statt. Weltweit machen dieser Tage Klimaaktivisten gegen die Förderung und Nutzung fossiler Rohstoffe wie Kohle und Öl mobil. Unter dem Motto »Break Free from Fossil Fuels« besetzten britische Aktivisten einen Tagebau in Wales, Kajakfahrer blockierten einen Kohlehafen in Australien. Weitere Aktionen sind unter anderem in den USA, Brasilien, Indonesien und in der Türkei geplant. Auch kritische Intellektuelle wie Naomi Klein, Noam Chomsky und Vandana Shiva unterstützen »Ende Gelände«. nd

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