Sonderrechte für Majestäten bleiben
Union sperrt sich im Bundestag gegen schnelle Abschaffung eines umstrittenen Paragrafen
Die Union will im Umgang mit dem Paragrafen, der die Beleidigung von ausländischen Staatsvertretern bestraft, nichts überstürzen. Trotz Kritik aus allen anderen Fraktionen ließen sich die Konservativen bei einer Bundestagsdebatte am Donnerstag nicht überzeugen. Politiker der Union sprachen sich gegen »Schnellschüsse« aus. CSU-Mann Volker Ullrich meinte, dass man sich bei der Entscheidung Zeit nehmen müsse. Denn der entsprechende Paragraf 103 schütze nicht nur Vertreter anderer Staaten, sondern auch die auswärtigen Beziehungen Deutschlands.
Hintergrund der Debatte ist ein Gedicht des deutschen Satirikers Jan Böhmermann, in dem er den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan unter anderem mit Sodomie in Verbindung gebracht hatte. Daraufhin beantragte Erdogan die Strafverfolgung Böhmermanns, die von Kanzlerin Angela Merkel gebilligt wurde. Den »Majestätsbeleidigungsparagrafen« will die CDU-Politikerin im Jahr 2018 abschaffen.
Dagegen hatten nun LINKE und Grüne Gesetzentwürfe in den Bundestag eingebracht, nach denen der Paragraf sofort gestrichen werden soll. Auch in der SPD gibt es hierfür Sympathien. Der Grüne Hans-Christian Ströbele warf Erdogan vor, ein gestörtes Verhältnis zu Presse-, Meinungs- und Kunstfreiheit zu haben.
Nach Ansicht der Linksfraktion sollten auch Paragrafen gestrichen werden, die sich gegen die Verunglimpfung des Bundespräsidenten und üble Nachrede gegen Personen des politischen Lebens richten. Der Abgeordnete Harald Petzold argumentierte, dass zwischen Politikern und Wählern kein Unterschied gemacht werden sollte. Für sie seien die allgemeinen Beleidigungsparagrafen des Strafgesetzbuches ausreichend.
Oppositionspolitiker wiesen zudem darauf hin, dass Merkels Unterstützung für Erdogan in der Affäre auch im Zusammenhang mit der europäischen Flüchtlingspolitik gesehen werden müsse. Die Türkei nimmt nach einem Abkommen mit der EU »illegal« nach Griechenland gekommene Asylbewerber zurück. Dafür können im Gegenzug einige syrische Flüchtlinge legal in die EU einreisen. Zuletzt berichteten Menschenrechtsorganisationen, dass syrische Flüchtlinge an der türkischen Grenze abgewiesen oder sogar beschossen worden seien. Linksfraktionsvize Jan Korte sprach von einem »dreckigen Deal«, der beendet werden müsse.
Zuvor hatten Politiker der Koalitionsfraktionen versprochen, sich für die Bekämpfung von Fluchtursachen einzusetzen. Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) forderte die internationale Gemeinschaft auf, die im Februar zugesagten Hilfen für Opfer des Kriegs in Syrien schnell zu zahlen. Anfang des Jahres hatte eine Geberkonferenz in London mehr als neun Milliarden Euro versprochen.
Fluchtbewegungen will die Bundesregierung irrigerweise aber auch durch Militäreinsätze eindämmen, die Krisenländer stabilisieren sollen. So ziehen durch den Norden Malis zahlreiche Schutzsuchende aus Afrika in Richtung Europa. Am Abend wollte der Bundestag mehrheitlich für eine Verlängerung des Engagements der Bundeswehr im Rahmen der EU-geführten Ausbildungsmission EUTM Mali stimmen. Weil neue Einsatzorte im Norden des Landes hinzukommen, wird die Mission gefährlicher. Denn in diesen Regionen sind islamistische Terroristen aktiv.
Weniger bedrohlich ist der Bundeswehreinsatz vor Somalias Küste. Die Piraten haben sich dort zunehmend zurückgezogen. Trotzdem wurde erwartet, dass das Parlament dafür stimmt, dass sich das deutsche Militär ein weiteres Jahr an der entsprechenden EU-Mission Atalanta beteiligt. Kommentar Seite 4
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