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Mit der Fusion starb Sperenberg

Manfred Stolpe wird 80 Jahre alt - und plaudert aus dem Nähkästchen

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.
Auch 14 Jahre nach seinem Rücktritt als Ministerpräsident und zehn Jahre nach seinem Rückzug aus der Bundespolitik weiß Manfred Stolpe (SPD) zu überraschen.

Weil vor 20 Jahren die Länderfusion Berlin-Brandenburg nicht zustande kam, ist Sperenberg als ursprünglich vorgesehener Flughafenstandort aufgegeben worden. Das gab der fast 80-Jährige bei einem Pressegespräch am Donnerstag in Potsdam zum Besten. Geladen hatte der Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb), der mit Stolpe vor dessen Geburtstag am 16. Mai ein ausführliches Gespräch aufgezeichnet. Ausgestrahlt wird es am 11. Mai.

Stolpe war nicht misszuverstehen: Mit Eberhard Diepgen (CDU), dem damaligen Regierenden Bürgermeister von Berlin, habe es einen »Deal« gegeben: Bei einer erfolgreichen Länderfusion hätte Sperenberg »die nötige Mehrheit gehabt«. Und weil die Deutsche Bahn den Transrapid Berlin-Hamburg nicht wollte, hätte es eine Strecke Berlin-Potsdam-Sperenberg geben können. Stolpe: »Dieser Transrapid ist mir jetzt in Shanghai begegnet.« Bestandteil der Absprache mit Diepgen sei aber auch gewesen: »Wenn es platzt, dann müssen wir uns einigen auf Schönefeld.«

Mit Sperenberg hätte die Region einen Großflughafen gehabt, der 24 Stunden lang anzufliegen gewesen wäre. »Die wenigen Anwohner hätten sich über den Bau des Flughafens gefreut«, fügte Stolpe hinzu. Ihm war anzumerken, dass er die Ablehnung der Fusion in Brandenburg auch heute noch als persönliche Niederlage ansieht und kaum verwunden hat.

Bis zum Schluss habe er nicht geglaubt, dass es schief gehen könnte, räumte der Alt-Ministerpräsident ein. Umfragen ein halbes Jahr zuvor hatten 60 Prozent Zustimmung zu diesem Projekt ergeben. »Ich dachte, das kann nicht so schnell weggehen.« Doch sei die Zeit zwischen Beschlussfassung und Abstimmung mit 13 Monaten einfach zu lang gewesen. Die Berliner Politik habe das zu verantworten, die habe im Herbst 1995 nicht das Volk abstimmen lassen wollen, um im Wahlkampf der PDS nicht das Argument zuzuspielen: »Die verraten Berlin.« Umgekehrt seien ihm selbst die zum Teil aus dem DDR-Erleben gespeisten Vorbehalte der Brandenburger gegenüber Berlin offenbar geworden. Bei seinen Auftritten auf den Markplätzen des Landes sagte die Leute zu ihm: »Herr Stolpe, wir mögen Sie ja. Darum nehmen Sie es uns nicht übel. Sie sind zu gutgläubig. Die stecken uns in den Sack.«

Anteil an der negativen Entwicklung habe auch die Berliner CDU mit ihrer Kampagne gehabt, »sozialistische Wärmestuben« in Brandenburg ausräuchern zu wollen. »Das traf alle, da rutschte alles weg«, erklärte Stolpe.

Über mangelnde Unterstützung in den Oberschichten musste Stolpe nicht klagen. Nach anfänglichem Widerstand gab es am Ende eine geschlossene Befürworter-Phalanx aus etablierten Parteien, Regierungen, Gewerkschaften, Interessenverbänden, Kammern, Medien. Dennoch ließen sich die Brandenburger nicht überzeugen. Fast zwei Drittel votierten gegen die Fusion. Doch auch wenn alle Fusionsgegner am 5. Mai 1996 daheim geblieben wären, hätten alle Ja-Stimmen zusammen nicht ausgereicht, um das gesetzlich geforderte Quorum von einem Viertel aller Wahlberechtigten zu erfüllen.

Stolpe befand am Dienstag, es sei schade gewesen, dass die Länderehe nicht zustande gekommen sei. Die Wirtschaft habe darunter gelitten, die Arbeitslosigkeit sei noch einmal angestiegen.

Nach seiner Meinung gefragt, welchen Weg Brandenburg in den kommenden Jahren vor sich habe, riet der SPD-Mann der Politik, überparteilich zu denken und zu handeln. Es gelte, die Menschen »zusammenzuhalten«. Ausdrücklich nannte er dabei als Beispiel für eine solche Politik den ersten Landtag Brandenburgs nach 1990. »Quer durch alle Fraktionen« habe man sich die Frage gestellt: »Was sind die wichtigsten Aufgaben, wie lösen wir sie am besten«. Das habe Brandenburg den Ruf der »Volksdemokratie« eingetragen. Es sei wichtig gewesen, dass die Landesverfassung schließlich von allen Parteien gemeinsam ausgearbeitet worden sei.

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