Baustopp im Bundestag
Absetzung des Votums über Steueranreize für den Wohnungsbau sorgt für Beifall von Mietervertretern
In dieser Woche sollte eigentlich ein großes Vorhaben der Koalition auf den Weg gebracht werden. Schließlich wird viel zu lange schon in der Regierung, der Bauwirtschaft und bei Mietervertretern über eine dringend nötige Wohnungsbauoffensive geredet, ohne dass tatsächlich etwas geschehen wäre. Bekannt ist, dass in der Bundesrepublik 800 000 Wohnungen in Ballungsräumen, Groß- und Universitätsstädten fehlen und 400 000 jährlich neugebaut werden müssten, um dieses Defizit schrittweise abzubauen. Der Zuzug von Flüchtlingen hat das ohnehin schon bestehende Problem nur noch verschärft.
Schwarz-Rot glaubte, mit Steueranreizen für Privatinvestoren den Stein der Weisen zur Ankurbelung des Mietwohnungsbaus gefunden zu haben. Proteste wie Hinweise von Opposition wie Experten blieben lange ungehört. Die einen bemängelten das Milliardengeschenk für Bauherren und Investoren, das ohne Mietobergrenzen nur zu Mitnahmeeffekten, aber nicht zu bezahlbaren Wohnungen führen würde (Mieterbund). Andere kritisierten am Gesetzentwurf, dass indirekte Subventionen offenbar als alternativlos gelten, aber direkte Subventionen wie Investitionszulagen gar nicht erst geprüft worden seien (Linkspartei). Die Dritten geißelten das »Gießkannenprinzip« und vermissten eine Sozialbindung für Mieter mit kleinem Einkommen als Gegenleistung zur steuerlichen Förderung (Grüne). Alle zusammen sind zudem darüber sauer, dass kommunale Wohnungsunternehmen und -genossenschaften von derlei Geldsegen nicht profitieren würden.
Lediglich die Bauwirtschaft zeigte sich von den Plänen der Regierung äußerst angetan. Kunststück: Mit Sonderabschreibungen von zehn und neun Prozent über drei Jahre bei Obergrenzen von 2000 bzw. 3000 Euro pro Quadratmeter zusätzlich zu bisherigen Regelungen winkt Eigentümern und Investoren ein lukratives Angebot. Noch dazu eines, das sie im Gegenzug nicht dazu verpflichtet, Wohnungen im mittleren oder unteren Preissegment zu bauen.
Doch zu früh gefreut. Nach einer Anhörung im Finanzausschuss des Bundestages am Montag wendete sich das Blatt. Die für Donnerstag anberaumte Abstimmung im Bundestag wurde kurzerhand von der Tagesordnung gestrichen. Der Zentralverband des Baugewerbes sieht darin einen »Bärendienst« für die Wohnungssuchenden und nennt das regierungsamtliche Vorgehen zynisch. Der Mieterbund aber begrüßte die Entscheidung und benannte erneut den erheblichen Nachbesserungsbedarf. »Zwingend notwendig sind eindeutige Mietobergrenzen, die sich beispielsweise an der ortsüblichen Vergleichsmiete orientieren könnten«, erklärte der Geschäftsführer des Mieterdachverbandes. Offensichtlich, so Ulrich Ropertz gegenüber »nd«, habe auch die SPD inzwischen erkannt, »dass unsere Argumente im Sinne einer Mietpreisbegrenzung nicht von der Hand zu weisen sind«. Die Gleichung der Bundesregierung, dass niedrigere Baukosten automatisch zu niedrigeren Mieten führen, sei nicht mehr als ein frommer Wunsch, so Ropertz.
Für den Präsidenten des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW, Axel Gedaschko, kommt angesichts der großen Nachfrage nach bezahlbaren Wohnungen in Deutschlands Großstädten »jede zeitliche Verzögerung bei der Schaffung von Fördermaßnahmen für den Wohnungsbau zur Unzeit«. Es gehe jetzt ums Tempo, um die vielerorts angespannten Märkte zu entlasten, erklärte er gegenüber »nd«. »Die Zeit sollte aber genutzt werden, um die steuerliche Sonderabschreibung für den Wohnungsbau nachzubessern und als gleichwertiges Instrument eine Investitionszulage einzuführen«, so Gedaschko. Sie würde Wohnungsunternehmen - insbesondere Vermietungsgenossenschaften -, die von einer Nutzung der Sonderabschreibung ausgeschlossen sind, ein noch stärkeres Engagement für den Wohnungsbau ermöglichen.
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