Geflüchtete sollen aufs Land

Bundesregierung will anerkannte Asylsuchende stärker auf ländliche Regionen verteilen / Menschenrechtsinstitut lehnt Wohnsitzauflagen ab

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Frankfurt am Main. Die Bundesregierung lässt einem Zeitungsbericht zufolge Pläne erarbeiten, in welche ländlichen Regionen Flüchtlinge künftig verteilt werden sollen. Im Zuge der beschlossenen Residenzpflicht im Asylverfahren kämen vor allem mittelgroße Städte wie etwa Fulda in den Fokus, sagte der federführende Bundesminister Christian Schmidt (CSU) der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung». Er sehe die Flüchtlings-Ansiedlung als eine Chance für solche Städte und auch für den ländlichen Raum, sagte der Agrarminister.

Auch strukturschwache Gegenden mit hohen Arbeitslosenquoten sollten nicht ausgenommen werden, sagte Schmidt dem Blatt. «Ich meine, dort, wo Wohnraum zur Verfügung steht und günstig ist, sollte man den auch nutzen.» Grundschulen könnten in diesen Regionen vor der Schließung bewahrt werden durch den Zuzug von Flüchtlingsfamilien. Er sehe gute Chancen, dass viele der Flüchtlinge auch langfristig dort wohnen blieben.

Integration werde auf dem Land besser gelingen, als in den «anonymen» Städten, vermutete Schmidt. Er kündigte ein Forschungsprogramm an, um dies untersuchen zu lassen. Auch in Gesprächen mit den Bundesländern werde er bald definieren, welche Regionen wie große Aufnahmefähigkeiten hätten.

Ausnahmen etwa für Gegenden in Sachsen-Anhalt, in denen die rechtspopulistische AfD bei den vergangenen Landtagswahlen mehr als 25 Prozent der Wählerstimmen bekam, wolle er nicht machen, sagte Schmidt. Er sei optimistisch, dass Integration auch dort gelingen werde: «Sachsen-Anhalt ist ja nun kein Land, das von Flüchtlingen überschwemmt worden ist.»

Unterdessen wandte sich das Deutsche Menschenrechtsinstitut gegen die Pläne der Bundesregierung zu Wohnsitzauflagen für anerkannte Flüchtlinge. «Dadurch würden »Betroffene bei der Ausübung ihrer Rechte und in ihrer Lebensgestaltung erheblich eingeschränkt«, erklärte das Institut am Donnerstag in Berlin. Die Politik sollte von dem Vorhaben Abstand nehmen, hieß es. Anlass der Stellungnahme ist das Treffen der Ministerpräsidenten der Länder am Freitag, bei der über das Eckpunktepapier des Koalitionssauschusses der Bundesregierung vom 13. April zu einem Integrationsgesetz beraten werden soll.

Weiter betonte das Institut, Wohnsitzauflagen für anerkannte Flüchtlinge vorzusehen, verstoße gegen die Genfer Flüchtlingskonvention und die Europäische Menschenrechtskonvention. »Die Grundlage von Integrationspolitik muss sein, dass die Menschen als Subjekte begriffen werden, nicht als Masse, die an bestimmten Orten festgesetzt werden kann.«

Betroffene würden gezwungen, in Massenunterkünften zu bleiben, hieß es. Wohnsitzauflagen führten ferner dazu, dass es erschwert oder unmöglich gemacht werde, familiäre und freundschaftliche Bindungen aufrecht zu erhalten. Dem Institut zufolge passen solche Vorgaben nicht in ein Integrationsgesetz: »Sie sind vielmehr ein ernstes Integrationshindernis: Sie hindern die Betroffenen daran, Arbeit aufzunehmen oder eine Wohnung zu finden.«

Vielmehr sollten Bund, Länder und Kommunen die Möglichkeiten gesellschaftlicher Teilhabe erhöhen, hieß es. »Dazu gehören etwa ein schneller Zugang für Kinder zu Kindertageseinrichtungen, eine zügige Einschulung von schulpflichtigen Kindern und Jugendlichen, ortsnahe Angebote für Sprachkurse, Angebote und Programme für den Einstieg ins Arbeitsleben beziehungsweise in eine berufliche Ausbildung junger Menschen vor Ort.« Agenturen/nd

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